Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisbarkeit einer Servicekraft bei geltend gemachtem Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Liegt bei einem auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten noch ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von sechs Stunden vor und besteht bei ihm keine schwere Leistungsbehinderung und keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, so ist ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB 6 ausgeschlossen. Der Rentenversicherungsträger ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen.

2. Bei einem nach § 240 SGB 6 erhobenen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist eine als Servicekraft in einem Altenheim tätig gewesener Versicherter dem Bereich der Ungelernten zuzuordnen und zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Damit liegt eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vor.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.07.2019; Aktenzeichen B 13 R 219/18 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den Dezember 2012 hinaus umstritten.

Die am ... 1959 geborene Klägerin hat von 1976 bis 1978 den Beruf der Facharbeiterin für automatisierte Produktion ohne Abschluss erlernt. Sie arbeitete von 1979 bis 1981 als Produktionsarbeiterin, anschließend bis 2003 bei der Post, dann bis 2009 als Tierpflegerin und zuletzt als Servicekraft in einem Altenheim.

Vom 1. November 2011 bis zum 31. Dezember 2012 bezog die Klägerin von der Beklagten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Hintergrund war, nachdem die Klägerin bereits mehrfach erfolglos Rentenanträge wegen eines postthrombotischen Syndroms und psychischer Gesundheitsstörungen gestellt hatte, ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 28. Februar 2011. Darin beschrieb die Gutachterin eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, eine Angst und Depression gemischt und einen chronischen Ulcus cruris. Die Klägerin könne ihren letzten Beruf als Servicekraft sowie Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden verrichten.

Am 31. August 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weiterzahlung der Rente. Die Beklagte zog die Epikrise der vom 15. Februar bis zum 7. März 2012 wegen einer schweren depressiven Episode durchgeführten stationären Behandlung bei und ließ den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. das Gutachten vom 12. Dezember 2012 erstatten. Der Gutachter beschrieb eine rezidivierende depressive Episode, gegenwärtig leichtgradig, Panikattacken, ein cervicocephales Syndrom und ein LWS-Syndrom. Die Klägerin könne ihren letzten Beruf als Servicekraft und leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr verrichten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und holte auf deren Widerspruch vom Facharzt für Orthopädie Dr. G. einen Befundbericht ein, in dem dieser über eine Osteochondrose C5-7 und eine Spondylarthrose C5-7 berichtete. Ferner zog die Beklagte Befunde der Fachärztin für Angiologie Dr. W. und der Nervenfachärztin Dr. K. bei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2014 als unbegründet zurück. Mit ihrem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr sei die Klägerin nicht erwerbsgemindert. In ihrer letzten Tätigkeit als Servicekraft sei sie als Angelernten im unteren Bereich einzustufen und daher auch sozial zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Damit liege auch teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vor.

Mit seiner hiergegen am 10. Februar 2014 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie sei nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Die Klägerin sei im Besitz eines Kfz, das die Tochter nutze. Sie hat das arbeitsamtsärztliche Gutachten vom 7. Oktober 2014 übersandt, wonach die Klägerin nicht mehr arbeiten könne.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31. Dezember 2012 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Sie hat die Unterlagen übersandt, die zu einer weiteren Rehabilitation geführt haben, die vom 5. März bis zum 9. April 2014 durchgeführt worden sei. Ausweislich des Entlassungsberichts lägen bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine chronisch venöse Insuffizienz, ein postthrombotisches Syndrom und eine Behandlung mit Antikoagulantien vor. Die Klägerin könne ihren le...

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