Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Trinkgeld. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. keine temporäre Bedarfsgemeinschaft bei gelegentlichem Besuch des Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

Das Trinkgeld einer Kellnerin ist als Arbeitslohn ein nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen.

 

Orientierungssatz

Der unregelmäßige Besuch des eigenen Kindes rechtfertigt es nicht, von einer sog temporären Bedarfsgemeinschaft nach den vom BSG aufgestellten Maßstäben (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1) auszugehen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.07.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 75/20 R)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Anrechnung von Trinkgeld sowie die Höhe der bewilligten Leistungen für die Kosten für Unterkunft und Heizung umstritten.

Die 1977 geborene Klägerin bezog zumindest seit 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Die Ehe der Klägerin mit dem vormaligen Ehemann wurde im August 2008 geschieden. Aus der Ehe gingen die 1998, 2001 und 2006 geborenen Töchter hervor. Keines der Töchter lebte bei der Mutter. Die jüngste Tochter lebte beim Vater. Ab 2014 ging man von einem 14-tägigen, von einem begleiteten Umgangsrecht der Klägerin mit der jüngsten Tochter aus. Übernachtungen fanden bei der Klägerin nicht statt.

Die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung der Klägerin beliefen sich auf monatlich insgesamt 410,- EUR (325,- EUR Kaltmiete, 50,- EUR kalte Nebenkosten und 35,- EUR Heizkosten). Mit Schreiben vom 04.06.2014 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Aufwendungen für die Unterkunft den angemessenen Umfang für eine Person überstiegen. Es werde ihr anheimgestellt, bis 30.11.2014 die Aufwendungen für die Unterkunft auf eine angemessene Höhe zu senken. Anderenfalls könnten nur noch die angemessenen Aufwendungen übernommen werden. Diese wurden mit einer Grundmiete in Höhe von 321,20 EUR zuzüglich Heizkosten beschrieben.

Mit Bescheid vom 07.11.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 31.05.2015 Leistungen nach dem SGB II. Wie angekündigt gewährte der Beklagte nunmehr die abgesenkte Miete. Außerdem berücksichtigte der Beklagte als sonstiges Einkommen, da die Klägerin einer Beschäftigung als Kellnerin nachging, neben Arbeitslosengeld I, ein in der Höhe unstrittiges monatliches Trinkgeld iHv 25,- EUR. Neben dem monatlich wechselnden Einkommen aus der Erwerbstätigkeit als Kellnerin bezog die Klägerin bis April 2015 mtl. Arbeitslosengeld I iHv 290,10 EUR und im Mai 2015 iHv 96,70 EUR.

Nachdem die Klägerin ihr Umgangsrecht mit der ältesten Tochter wahrnahm, bewilligte der Beklagte der Klägerin mit den Änderungsbescheiden vom 01.12.2014 und 08.04.2015 einen Mehrbedarf für den Umgang. Wegen des erhöhten Einkommens aus der Erwerbs-tätigkeit als Bedienung bewilligte der Beklagte geringere Leistungen mit Änderungsbescheid vom 05.02.2015 für die Monate März bis Mai 2015.

Am 28.04.2015 vereinbarte die Klägerin vor dem Amtsgericht mit ihrem geschiedenen Ehemann den Umgang mit der jüngsten Tochter neu. Ab dem 16.05.2015 bestehe alle zwei Wochen jeweils samstags ein Umgangsrecht mit der Tochter. Etwa zum Jahreswechsel 2015/2016 seien Übernachtungen der Tochter bei der Klägerin angestrebt.

Nachdem die Überprüfung des Bescheides vom 07.09.2015 beantragt wurde, erließ der Beklagte den Änderungsbescheid vom 07.12.2015, der den Zeitraum Dezember 2014 bis Mai 2015 betraf. Hier wurde das monatliche Trinkgeld nicht mehr als sonstiges Einkommen, sondern als bereinigtes Erwerbseinkommen berücksichtigt. Außerdem wurden höhere Heizkosten anerkannt (35,- anstatt 20,- EUR mtl.), da sich die Heizkostenabschläge auf mtl. 35 EUR erhöht hatten.

Der Widerspruch der Klägerin vom 08.01.2016 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft seien für eine Person nicht angemessen. Nachdem die Kinder nicht im Haushalt der Klägerin lebten, könnten diese auch nicht bei der Anzahl der Haushaltsmitglieder berücksichtigt werden. Übernachtungen der ältesten Tochter fänden nicht statt.

Mit ihrer Klage vom 11.05.2016, die am selben Tage einging, hat sich die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, an das Sozialgericht Landshut gewandt. Zunächst sei eine Anrechnung des Trinkgeldes von monatlich 25 EUR rechtswidrig. Die Berücksichtigung des Trinkgeldes sei grob unbillig und beeinflusse die Lage der Klägerin nicht so günstig, dass daneben Leistungen nicht gerechtfertigt seien. Außerdem seien die Kosten der Unterkunft in tatsächlich anfallender Höhe zu gewähren. Der Beklagte erkenne lediglich Unterkunftskosten nach dem Wohngeldgesetz an. Diese Unterkunftskosten der Klägerin seien jedoch im streitigen Zeitr...

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