Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. fehlender Anspruch auf Ausbildungsförderung während der schulischen Ausbildung. Ausnahme nach § 7 Abs 6 Nr 1 SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rückausnahme nach § 7 Abs 6 Nr 1 SGB 2 greift in jeder Konstellation des Leistungsausschlusses nach § 2 Abs 1a BAföG und setzt nicht voraus, dass der Leistungsberechtigte im Haushalt seiner Eltern wohnt.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG Schleswig: S 6 AS 185/13 B ER

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 02.10.2013 bis zum 31.12.2013 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

2. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Kiel ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat oder ob dieser Anspruch aufgrund der Ausbildung des Antragstellers ausgeschlossen ist.

Der am …1991 geborene Antragsteller erwarb zunächst einen Hauptschulabschluss und absolvierte im Anschluss im Zeitraum von September 2008 bis Juli 2011 eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel, die er erfolgreich abschloss. In dieser Zeit erwarb er auch einen Realschulabschluss. Im Zeitraum von Juli 2011 bis Juli 2013 arbeitete der Antragsteller in seinem Ausbildungsbetrieb. Seit dem 05.08.2013 besucht er das Berufliche Gymnasium des Berufsbildungszentrums P. im P. mit dem Ziel, dort die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Der Antragsteller bezieht seit dem 01.08.2013 Wohngeld in Höhe von monatlich € 122,00 und geht einer geringfügigen Beschäftigung mit einem monatlichen Entgelt von ca. € 200,00 nach.

Der Antragsteller wohnt bereits seit dem Sommer 2007 nicht mehr im elterlichen Haushalt. Zum 01.01.2012 zog er in die aktuell mit seinem Bruder gemeinsam bewohnte 2-Zimmer-Wohnung in S.

Mit Bescheid vom 01.08.2013 lehnte das Amt für Soziales/Amt für Ausbildungsförderung des Kreises P. die Gewährung einer Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ab. Die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1a BAföG lägen nicht vor. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG werde Ausbildungsförderung für den Besuch von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen ab Klasse 10 geleistet, wenn der Auszubildende die Voraussetzungen des Abs. 1a erfülle. Nach dieser Vorschrift werde Ausbildungsförderung nur dann geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar sei. Nach Auskunft des Jugend- und Sozialdienstes des Kreises R. sei dem Vater das Aufenthaltsbestimmungs-/Sorgerecht nicht entzogen. Die Prüfung des Amtes habe ergeben, dass von der Wohnung des Vaters in N. eine dem Gesetz nach entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte - ebenfalls in N. - erreichbar sei. Da die Notwendigkeit der auswärtigen Unterbringung somit nicht anerkannt werden könne, bestünde kein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG.

Mit Bescheid vom 17.09.2013 lehnte sodann der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab. Der Antragsteller befände sich in einer Zweitausbildung und eine solche sei nach dem SGB II nicht förderungsfähig. Mit Schreiben vom 26.09.2013 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Es liege kein Fall einer Zweitausbildung vor. Die Ausbildung sei grundsätzlich förderungsfähig. Der Anspruch des Antragstellers scheitere lediglich an der Vorschrift des § 2 Abs. 1a BAföG. Nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II finde der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II in diesem Fall keine Anwendung. Eine Entscheidung über den Widerspruch ist bis heute nicht ergangen.

Der Antragsteller hat am 03.10.2013 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Kiel gestellt. Er wiederholt seine Argumentation, dass die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II einem Ausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II entgegenstehe, so dass er einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II habe. Es sei hierfür nicht Voraussetzung, dass er im Haushalt seiner Eltern wohne. Es genüge vielmehr das Erreichbarsein einer entsprechend zumutbaren Ausbildungsstätte. Ferner reicht er ein Schreiben des Jugend- und Sozialdienstes des Kreises R. vom 29.07.2013 ein. Der Mutter des Antragstellers sei das Sorgerecht entzogen worden. Aufgrund der beim Vater zerrütteten Familienverhältnisse sei der Antragsteller bereits im Sommer 2007 in eine Pflegefamilie gegeben worden. Eine Rückkehr in den väterlichen Haushalt sei...

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