Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Anfechtungsklage. Antrag auf Aufhebung eines leistungsabsenkenden Änderungsbescheides nach Aufhebung des diesem zugrunde liegenden Sanktionsbescheides. Vorliegen eines formellen Verwaltungsakts. keine doppelte Rechtshängigkeit. fehlende Einbeziehung in das gegen den Sanktionsbescheid gerichtete Widerspruchsverfahren. Einleitung eines neuen Widerspruchsverfahrens und Erlass eines zweiten Widerspruchsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

Leistungsberechtigte nach dem SGB 2 haben einen Anspruch auf gerichtliche Aufhebung eines leistungsabsenkenden Änderungsbescheides, der lediglich in Umsetzung eines zeitgleich erlassenen Sanktionsbescheides ergangen ist, sofern sich der Leistungsträger weigert, diesen Änderungsbescheid nach Aufhebung des in Bezug genommenen Sanktionsbescheides ebenfalls aufzuheben oder für erledigt bzw gegenstandslos zu erklären.

 

Orientierungssatz

1. Bezieht die Widerspruchsstelle bewusst oder unbewusst einen nach Einlegung des Widerspruchs ergangenen Folgebescheid entgegen ihrer Verpflichtung gem § 86 SGG nicht in das laufende Widerspruchsverfahren ein, so ist der (erste) Widerspruchsbescheid fehlerhaft. Eine Verpflichtung des Gerichts zur Aussetzung des Klageverfahrens bis zur Entscheidung der Widerspruchsstelle über den gegen den Folgebescheid gerichteten Widerspruch besteht jedoch nur dann, wenn eine solche Entscheidung der Widerspruchsstelle (bisher) nicht vorliegt.

2. Hat die Widerspruchsstelle über den gegen den Folgebescheid gerichteten Widerspruch bereits durch einen weiteren förmlichen Widerspruchsbescheid entschieden, kann dieses fehlerhafte Vorgehen nicht zu prozessual nachteiligen Folgen für den Leistungsempfänger führen, insbesondere nicht die Unzulässigkeit seiner (weiteren) Anfechtungsklage gegen den Folgebescheid in der Gestalt des (zweiten) Widerspruchsbescheides begründen.

 

Tenor

Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 4. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 25. September 2008 (W 1498/08) wird aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung eines von ihm erlassenen Änderungsbescheides, der auf einen Sanktionsbescheid ergangen ist.

Der Beklagte bewilligte dem seit 2005 im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stehenden Kläger für den Folgezeitraum April bis September 2008 mit Bewilligungsbescheid vom 05.03.2008 (Bl. 14 ff. der beigezogenen Gerichtsakte (GA) S 54 AS 2045/08) die Regelleistung i.H.v. 347,- € monatlich, für die Monate April und Mai 2008 jedoch nur in um 30 % abgesenkter Höhe aufgrund einer vorangegangenen Sanktion. Der hiergegen vom Kläger am 30.03.2008 erhobene Widerspruch (Bl. 18 GA S 54 AS 2045/08) blieb zunächst erfolglos (vgl. Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25.09.2008 (W 1060/08, Bl. 19 ff. GA S 54 AS 2045/08); die nachfolgend zur erkennenden Kammer am 28.10.2008 erhobene Klage war indes erfolgreich: der Beklagte hob den Bewilligungsbescheid vom 05.03.2008 auf und entschied über den Leistungsanspruch des Klägers mit Änderungsbescheid vom 01.11.2010 neu (Bl. 38, 48 ff. GA S 54 AS 2045/08).

Nachdem der Beklagte den Kläger wegen wiederholter Pflichtverletzungen aus einer zwischen den Beteiligten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung mit diversen, vorliegend nicht streitgegenständlichen Absenkungsbescheiden sanktioniert hatte, verfügte er mit Sanktionsbescheid vom 19.03.2008 (Bl. 16 ff. der beigezogenen Gerichtsakte (GA) S 54 AS 2035/08) unter Bezugnahme auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, Abs. 3 und 6 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 SGB X den vollständigen Wegfall der Regelleistung für den Zeitraum April bis Juni 2008.

Gegen diesen Sanktionsbescheid legte der Kläger - nach Erlasses eines teilabhelfenden Sanktionsbescheides vom 07.05.2008 - erfolglos Widerspruch ein, vgl. Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25.09.2008 (W 1016/08; Bl. 6 ff. GA S 54 AS 2035/08). Die hierauf am 28.10.2008 zur erkennenden Kammer erhobene Anfechtungsklage hatte Erfolg. Der Beklagte hob aufgrund der Ausführungen der Kammer in ihrem Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 16.08.2010 (Bl. 35 f. GA S 54 AS 2035/08) mit Schriftsatz vom 22.09.2010 “den Bescheid vom 19.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008 (W 1016/08) auf.„

Neben dem e.g. Sanktionsbescheid vom 19.03.2008 erließ der Beklagte am 04.04.2008 den im vorliegenden Klageverfahren streitgegenständlichen, in der Standardsoftware der Jobcenter A2LL erstellten Bescheid über die “Änderung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)„ - kurz: Änderungsbescheid (Bl. 13 ff. GA) -, in dem er dem Kläger “Leistungen für die Zeit vom 01.04.2008 bis 30.06.2008 in folgender Höhe bewilligt[e]:„ Für April bis Juni 2008 setzte er die Reg...

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