Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB 7. landwirtschaftlicher Unternehmer. Unternehmereigenschaft des Sohnes. landwirtschaftliches Grundstück der pflegebedürftigen Mutter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer eigenständig eine Obstwiese bewirtschaftet und die Früchte darauf zieht, ist Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs nach § 136 Abs 3 Nr 1 SGB 7.

2. Die Unternehmereigenschaft erfordert nicht zwingend, dass man Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstücks ist oder die Beiträge zur Unfallversicherung selbst zahlt.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juni 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2011 verpflichtet, das Ereignis vom 6. Oktober 2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 6. Oktober 2009 als Arbeitsunfall.

Die Mutter des Klägers war zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin von rund 60 Ar Grünland, die teilweise mit Obstbäumen bepflanzt sind. Zu den Grundstücken gehört insbesondere die Obstwiese “Bei der Kelter„ in M-L, welches rund 430 Quadratmeter groß ist und mit zehn Bäumen bepflanzt ist.

Am 16. Juli 2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er am 6. Oktober 2009 einen Unfall auf dem Baumgrundstück in L. erlitten habe. Er sei vom Baum gefallen und habe sich dabei sein rechtes Fersenbein gebrochen. Zuvor hatte der Kläger im Unfallfragebogen gegenüber der Krankenkasse erklärt: “Beim Apfelpflücken im Garten ist ein Ast abgekracht und ich fiel vom Baum.„ Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Kläger, er habe nach dem Unfall seine Frau mit dem Handy angerufen, die ihn dann gemeinsam mit dem Freund seiner Tochter abgeholt habe. Seine Mutter lebe seit Februar 2006 im Pflegeheim. Er erledige sämtliche anfallende Arbeiten, wie das Ausputzen der Bäume, Mähen und Ernten. In einer Gesprächsnotiz vom 1. April 2011 mit der Ehefrau des Klägers wurde unter anderem festgehalten, der Kläger bewirtschafte die Grundstücke seiner Mutter auf deren Rechnung und Gefahr. Am 20. April 2011 führte der Kläger aus, die im Eigentum seiner Mutter stehenden Grundstücke würden von ihm im Auftrag seiner Mutter bewirtschaftet. Die Äpfel würden zu Apfelsaft verwertet und zum Eigenbedarf verwertet.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2011 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Unfalls ab, da es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die Mutter des Klägers sei nach wie vor Unternehmerin der veranlagten Grundstücke. Das Abernten habe aber dem Haushalt des Klägers gedient, der aber kein landwirtschaftlicher Betrieb sei.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2011 zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend zu ihren bisherigen Argumenten im Wesentlichen aus, zum Unfallzeitpunkt habe nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls keine fremdwirtschaftliche Handlungstendenz, d.h. keine auf die Unterstützung des landwirtschaftlichen Unternehmens der Mutter bezogene Handlungstendenz vorgelegen. Der Kläger sei im Rahmen seiner eigenen Haushaltung tätig geworden, die nicht versichert gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung vertieft der Kläger seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Er habe die Äpfel als Entlohnung für die Grundstückspflege erhalten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juni 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2011 zu verpflichten, das Ereignis vom 6. Oktober 2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung legt sie ergänzend zu den Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden dar, der Kläger sei auch kein Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 SGB VII, da der Kläger aufgrund des Eigeninteresses nicht fremdbestimmt tätig gewesen sei. Die “Entlohnung„ durch die Äpfel begründe keinen Versicherungsschutz, da keine bestimmte Menge zu einer vereinbarten Zeit ausgehändigt worden sei. Dies sei aber nach der Rechtsprechung erforderlich.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Kläger zu den Umständen des Unfalls und den Grundstücksverhältnissen und seine Ehefrau als Zeugin vernommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 6. Oktober 2009 als Arbeitsunfall.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Sa...

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