Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. betriebliche Tätigkeit. Unterbrechung der Arbeitstätigkeit. Erhaltung der Arbeitskraft. Freilaufzeit bzw Wartezeit. Luftschnappen. Arbeitsplatzverhältnisse: hohe Raumtemperatur und schlechte Luftverhältnisse. Erfrischung bzw Abkühlung

 

Orientierungssatz

Zum bejahten Arbeitsunfall eines Versicherten, der beim "Luftschnappen" im Schattenbereich vor einer 30 Grad warmen Montagehalle während der Wartezeit (persönlichen Verteilzeit) im laufenden Fertigungstakt verletzt worden war.

 

Tenor

Der Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Unfallereignis ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls streitig.

Der am … geborene, als Kfz-Mechaniker versicherungspflichtig beschäftigte Kläger wurde auf dem Gelände seiner Arbeitgeberin von einer Tür an der linken Ferse getroffen und erlitt hierdurch eine Achillessehnenruptur und eine offene Verletzung dorsal des oberen Sprunggelenkes (über der Achillessehne ca. 4 cm messende, quer verlaufende Schnittwunde).

Laut Angaben im D-Arzt-Bericht (DAB) von Dr. X habe noch am Unfalltag bei ihm erschienene Kläger angegeben, dass er beim Montieren eines Autos vor einem Neuwagen gestanden, ein Kollege die Tür versehentlich aufgerissen und ihn an der verletzten linken Ferse getroffen habe. Der Unfall habe sich laut Angaben des Klägers um 12.35 Uhr ereignet, um 13.05 Uhr sei er bei ihm eingetroffen. Dr. X diagnostizierte die genannten Verletzungen.

Der Kläger wurde noch im Rahmen der stationären Behandlung operiert. Dort gab er an, dass der Unfall vor der Fertigungshalle passiert sei. Im weiteren Heilbehandlungsverlauf wurde ein postoperatives deutliches Lymphödem des gesamten linken Fußes festgestellt, dass bei der ambulanten Untersuchung noch anhielt. Als sich der Kläger erneut zur Kontrolle vorstellte, wurde ihm von dort mitgeteilt, dass die Beklagte die (weitere) Kostenübernahme für das Heilverfahren abgelehnt habe und er daher dort nicht mehr behandelt werden könne.

In der Unfallanzeige teilte Herr X mit, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz verlassen habe, um eine Zigarette zu rauchen. Er habe hinter der Tür des Ausgangs Süd der Halle gestanden, als ein anderer Mitarbeiter die Tür zu schnell geöffnet und ihn mit der Türunterseite an der Ferse erwischt habe. Der Unfall sei um 12.40 Uhr passiert. Die Sicherheitsfachkraft der Arbeitgeberin teilte der Beklagten telefonisch mit, dass sich der Kläger dort gemeldet habe. Die Unfallanzeige sei ohne Nachfrage beim Kläger erfolgt. Es habe sich um eine tolerierte Pause mit dem Hintergrund, eine Erfrischung (Eis) zu holen, gehandelt, da es am Unfalltag sehr heiß gewesen sei. Daraufhin wurde die korrigierte Unfallanzeige übersandt, wonach der Kläger seinen Arbeitsplatz aufgrund erhöhter Temperatur in der Halle verlassen habe, um an die frische Luft zu gelangen.

Mit Schreiben teilte die Betriebskrankenkasse der Beklagten mit, der Kläger habe ihr gegenüber geäußert, dass die Angaben zum Unfallhergang weder auf dem DAB noch auf der Unfallanzeige korrekt seien, weshalb um nochmalige Prüfung gebeten werde.

Am 01.10.2010 erfolgte durch die Beklagte zusammen mit der Aufsichtsperson der Arbeitgeberin eine Besichtigung des klägerischen Arbeitsplatzes, der Unfallstelle und des Ortes, an dem ein Eis gekauft werden kann (Snackpoint). Es sei mit dem Vorgesetzten des Klägers gesprochen worden, der dafür verantwortlich gewesen sei, dass in der Unfallanzeige zunächst gestanden habe, dass der Kläger beim Rauchen war. Dieser habe bestätigt, dass er zum damaligen Zeitpunkt nur vermutet habe, dass der Kläger beim Rauchen war, ohne dies auf eine Aussage des Klägers stützen zu können. Der Kläger sei zum Zeitpunkt, als die Unfallanzeige erstellt worden sei, nicht befragt worden, da er sich bereits im Krankenhaus befunden habe. Tatsächlich habe auch niemand eine Zigarettenkippe in der Nähe des Klägers nach dem Unfall bemerkt. Es wurde angegeben, dass es eine offizielle Mittags- und Frühstückspause gebe, in denen die Produktion ruhe. Der Unfall habe sich in einer stillschweigend erlaubten kleinen Zwischenpause zum Luftschnappen an der feuerfesten und massiven Ausgangstür ereignet. An heißen Sommertagen sei es in der betreffenden Fabrikhalle sehr unangenehm, auch weil die Fabrikhalle älteren Datums sei, also nicht über neueste Lüftungssysteme verfüge. Um ein Eis zu besorgen, habe der Kläger zunächst diese Stelle passieren und ca. 20 Meter zu einer Automatenstation gehen müssen. Er habe zum Unfallzeitpunkt diesen Weg schon zurückgelegt gehabt und sich vor der Eingangstüre befunden. Dort hätte er zum Pause machen auch gestanden, wenn er das Eis nicht gekauft bzw. konsumiert hätte. Als ein Arbeitskollege die Tür geöffnet habe, habe der Kläger mit dem Rücken zu...

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