Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Sozialhilfeleistungen für einen geduldeten Ausländer nach Aufnahme einer überbetrieblichen Berufsausbildung

 

Orientierungssatz

Die Aufnahme einer überbetrieblichen Berufsausbildung durch einen in Deutschland lediglich geduldeten Ausländer, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht, lässt seinen Leistungsanspruch nicht entfallen, soweit er für seine Ausbildung keine Förderung in Form einer Berufsausbildungsbeihilfe erhält. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versagung der Berufsausbildungsbeihilfe keine individuellen Gründe zugrundeliegen. Dabei stellt eine Versagung aufgrund des Aufenthaltsstatus keinen individuellen Grund dar, der zugleich einen Ausschluss von den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewirkt.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 01.09.2016 bis vorläufig 31.12.2016 weiterhin Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung einer Ausbildungsvergütung in Höhe von Euro 338,- zu gewähren. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Der Antrag vom 22.08.2016, mit dem die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, dem Antragsteller auch über den 31.08.2016 hinaus Leistungen nach dem AsylbLG zu erbringen, ist zulässig und in dem tenoriertem Umfang auch begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Anordnung nach § 86b Abs. 2 ist neben der besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch auf die beantragte Leistung (Anordnungsanspruch) und setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordung voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die begehrte Leistung glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt, die ihm nach seinen Angaben von der Antragsgegnerin bis 31.08.2016 in analoger Anwendung der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG, zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 15.02.2016, in Höhe von monatlich Euro 724,- Euro gewährt worden sind. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Dass diese Voraussetzungen für den Anspruch auf Analogleistungen in der Person des Antragstellers grundsätzlich vorliegen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und kann daher auch für das vorliegende Eilverfahren unterstellt werden

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der Leistungsgewährung über den 01.09.2016 hinaus nicht die Regelung des § 22 Abs. 1 SGB XII entgegen, welche über § 2 Abs. 1 AsylbLG hier entsprechend Anwendung findet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2005 - L 23 B 1008/05 AY ER; Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 03/12, Rn. 1; Oppermann, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 2 AsylbLG, Rn. 129). Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sind, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt, §§ 27 ff.) und Vierten Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, §§ 41 ff.) des SGB XII. Nach Satz 2 können in besonderen Härtefällen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden.

Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII liegen aber nicht vor. Der Antragsteller absolviert zwar ausweislich des vorgelegten Berufsausbildungsvertrages der Handelskammer H. ab 01.09.2016 eine überbetriebliche Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz zum Verkäufer, die voraussichtlich am 31.08.2018 beendet sein wird und für die er eine monatliche Vergütung in Höhe von z.Zt. Euro 338,- erhält. Die Ausbildung ist aber weder nach dem BAföG noch nach den §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig, da es sich um eine überbetriebliche Berufsausbildung handelt, für die der Antragsteller als geduldeter Ausländer (§ 60a Aufenthaltsgesetz) gemäß § 59 Abs. 2 SGB III keine Förderun...

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