Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall. Gewährung einer Verletztenrente. Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Auferlegung einer Missbrauchsgebühr für die missbräuchliche Fortführung eines Sozialrechtsstreits

 

Orientierungssatz

1. Bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Folge eines Arbeitsunfalls können nur solche Gesundheitsschäden einbezogen werden, die durch das Unfallereignis ausgelöst wurden.

2. Einzelfall zur Verhängung einer Missbrauchsgebühr für die missbräuchliche Fortsetzung eines aussichtslosen Sozialrechtsstreits (hier: Missbrauchsgebühr bei einem Empfänger von Grundsicherungsleistungen auf 300 Euro festgesetzt).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin einen Betrag von 300,00 EUR zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der Folgen eines Arbeitsunfalls nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).

Die 1952 geborene Klägerin arbeitete im Reinigungsdienst des Universitätsklinikums (UK), Standort A-Stadt, und war in dieser Tätigkeit bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Bei ihrer versicherten Tätigkeit stürzte sie am 01.11.2008 einige Treppenstufen hinunter. Der Durchgangsarzt Prof. C., UK, diagnostizierte eine Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule. Die Beklagte zog im Verwaltungsverfahren sämtliche Behandlungsunterlagen bei und forderte Befunde über die unfallunabhängigen Erkrankungen der Klägerin an. Daraus ergibt sich, dass bei der Klägerin neben den Unfallfolgen Behandlungen stattgefunden haben mit den Diagnosen einer Fibromyalgie und insbesondere wegen einer chronischen Schmerzerkrankung. Weiterhin ergibt sich aus diesen Krankenunterlagen, dass die Klägerin schon vor dem streitigen Arbeitsunfall ein Stützkorsett der Lendenwirbelsäule getragen hatte. Nach Auswertung der Krankenunterlagen erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 15.03.2010 das Ereignis als Arbeitsunfall an, lehnte die Zahlung von Verletztenrente mit der Begründung ab, es sei mehr als vier Monate nach dem Unfall zu einem guten Ausheilungsergebnis gekommen. Bereits vor dem Unfall hätten massive Vorerkrankungen im Wirbelsäulenbereich vorgelegen, die für die jetzigen Beschwerden verantwortlich seien. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.03.2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2010 zurückgewiesen wurde.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 06.09.2010 beim Sozialgericht Gießen eingegangenen Klage. Zwar treffe es zu, dass sie schon vor dem streitigen Unfall Gesundheitsbeeinträchtigungen im Wirbelsäulenbereich gehabt habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten dauerten jedoch die Beschwerden, die auf die Verletzungen am Unfalltag zurückzuführen seien, an. Sie habe Probleme beim Bücken, Heben, langen Sitzen und beim langen Stehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Bescheids vom 15.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2010 die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf den angegriffenen Bescheid und Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Schwerbehindertenakte der Klägerin bei dem Hessischen Amt für Versorgung und Soziales in Gießen. Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung zweier Gutachten von Amts wegen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet. Dr. D., UK, kommt hierbei in seinem orthopädischen Zusammenhangsgutachten vom 27.05.2011 zu dem Ergebnis, wegen des durch den Arbeitsunfall eingetretenen Bruchs am zweiten Lendenwirbel sei eine MdE von 10 v. H. festzustellen. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe hier nicht. Die aktenkundige Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zum 05.03.2009 sei schadensangemessen gewesen. Seither bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Hiervon abzugrenzen seien Arbeitsunfähigkeitszeiten durch die unfallunabhängigen und altbekannten degenerativen Veränderungen an der Hals- und an der Rumpfwirbelsäule der Klägerin und durch das sich durch körperliche Beschwerden ausdrückende psychiatrische Krankheitsbild der somatisierten Depression. Der Sachverständige Dr. E., E-Stadt, kommt in seinem psychiatrischen Zusammenhangsgutachten vom 29.09.2012 zu dem Ergebnis, auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Sinne der konkurrierenden Kausalität sei das Unfallereignis nicht unersetzlich gewesen. Es handele sich hierbei um eine sogenannte Gelegenheitsursache. Bereits im Vorfeld des Arbeitsunfalls bestand bei der Klägerin eine psychische Erkrankung. Die Beschwerdeeinschätzung entsp...

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