Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Einsetzen. Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen. Erforderlichkeit einer Kenntnis vom Notfall. Nichterforderlichkeit einer Kenntnis vom Leistungsumfang

 

Orientierungssatz

Der Sozialhilfeträger muss, um Sozialhilfe zu gewähren, nur Kenntnis von dem Notfall haben, nicht aber auch in die Lage versetzt werden, die Höhe der Leistung bis ins Detail berechnen zu können.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 04.07.2011 bis 27.07.2011 wöchentlich 3,0 Fachleistungsstunden durch die Therapieeinrichtung ... nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte trägt 9/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme von drei Fachleistungsstunden wöchentlich für die Klägerin in der Therapieeinrichtung ... vom 04.07.2011 bis 27.07.2011 in Höhe von 51,20 Euro pro Fachleistungsstunde im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Die ... Klägerin ist suchtkrank (Alkoholabhängigkeit). Nach mehreren stationären psychiatrischen Behandlungen nahm sie vom 17.11.2010 bis 22.02.2011 an einer stationären Entwöhnung mit nachfolgender stationärer Adaption (22.02.2011 bis 30.06.2011) teil.

Mit Antrag vom 21.06.2011, dem Beklagten zugegangen am 04.07.2011, beantragte die Klägerin die Übernahme der Fachleistungsstunden unter Einreichung eines Erhebungsbogens das Beklagten, eines Sozialberichtes sowie einer ärztliche Stellungnahme. Auf den Inhalt der Unterlagen wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 08.07.2011 forderte der Beklagte bei der Klägerin Name und Anschrift der Eltern an, welche sie am 13.07.2011 bekanntgab.

Mit Schreiben vom 09.07.2011 lud der Beklagte die Klägerin zu einem Hilfeplangespräch am 28.07.2011 ein.

Am 28.07.2011 fand die Hilfeplankonferenz statt. Laut Protokoll wurden dort drei Fachleistungsstunden wöchentlich für 12 Monate ab dem 28.07.2011 bewilligt.

Mit Schreiben vom 03.08.2011 beantragte die Klägerin Leistung bei dem Beklagten ab Antragseingang. Es habe Eilbedürftigkeit wegen des bekannten Suchtverlaufes vorgelegen, so dass der Beklagte ab Antragseingang zu leisten habe.

Mit Bescheid vom 19.08.2011 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen vor dem 28.07.2011 ab. Er habe erst ab der Hilfeplankonferenz Kenntnis in Form der qualifizierten Kenntnis erlangen können. Ein besonderer Einfall mit einer besonderen Eilbedürftigkeit habe sich nicht dargestellt.

Mit Schreiben vom 25.08.2011 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 19.08.2011 ein. Eine Eilbedürftigkeit habe sich aus der Natur der Sache ergeben, insbesondere aufgrund des Rückfallrisikos der Klägerin.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Er wiederholte, dass die notwendige Kenntnis erst ab Hilfeplankonferenz am 28.07.2011 Vorgelegen habe und eine Beurteilung vorher nicht möglich gewesen sei.

Mit der am 28.03.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Ihr Bedarf sei bereits vor der Hilfeplankonferenz feststellbar gewesen. Es sei bekannt, dass gerade zwischen der stationären und ambulanten Betreuung eine kritische Phase bei Suchtkranken sei. Insbesondere lag ein hohes Rückfallrisiko vor.

Nachdem die Klägerin zunächst im Klageverfahren beantragt hatte, Fachleistungsstunden 07.2011 zu bewilligen, beantragt die Klägerin nunmehr,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 04.07. bis 27.07.2011 die Übernahme der Kosten für ambulant betreutes Wohnen mit wöchentlich 3,0 Fachleistungsstunden durch die ... zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist in dem Klageverfahren auf das Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid sowie aus dem Verwaltungsverfahren.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte, die das Gericht beigezogen hat und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten in ihren Rechten verletzt. Die Bescheide sind fehlerhaft ergangen. Der Beklagte hat zu Unrecht die Kostenübernahme der streitgegenständlichen Fachleistungsstunden in dem Zeitraum vom 04.07.2011 bis 27.07.2011 verweigert.

Zwischen den Beteiligten ist zunächst unstreitig, dass die Klägerin zu dem Personenkreis des § 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) gehört.

Insbesondere hat der Beklagte bereits am 28.07.2011 auf der Hilfeplankonferenz ab diesem Datum Fachleistung...

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