Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Leistung zur Teilhabe. Drogentherapie. vorzeitige Strafaussetzung. Ermessensreduzierung auf Null

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Entscheidungen über die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe in Form einer Drogentherapie, kann die überragende Bedeutung der persönlichen Freiheit aus Art 2 Abs 2 S 2 GG iVm Art 19 Abs 4 S 1 GG eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen, wenn dadurch vorzeitige Strafaussetzung zur Bewährung gem § 57 StGB in Betracht kommt.

2. Dies gilt selbst dann, wenn kein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.

3. § 12 Abs 1 Nr 5 SGB 6 steht einer Antragstellung aus der Haft nicht entgegen.

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragssteller eine Zusage für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer stationären Drogentherapie zu erteilen.

2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

3. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung einer Kostenzusage für eine Drogentherapie.

Der Antragsteller verbüßt zur Zeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten in der JVA B-Stadt (im Folgenden JVA). Die zur Verurteilung führenden Straftaten standen, ausweislich der Mitteilung des Leiters der JVA vom 23.09.2010, jeweils im Zusammenhang mit der langjährig bestehenden und behandlungsbedürftigen Suchtproblematik des Antragstellers.

Bereits vor seiner Inhaftierung hatte sich der Antragsteller um eine Kostenzusage für eine stationäre Suchttherapie bemüht und diese auch erhalten. Aufgrund der Inhaftierung konnte er diese Therapie nicht antreten. Die Durchführung der Therapiemaßnahme unter Zurückstellung der Strafverfolgung gem. § 35 BtMG wurde abgelehnt, weil nicht alle zu verbüßenden Straftaten in Kausalität mit der Drogensucht des Antragstellers standen.

Der Entlassungstermin bei Verbüßung der vollen Strafe wäre am 28.02.2012. Ab dem 11.12.2010 käme eine vorzeitige Aussetzung der Vollstreckung des Restes der zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 StGB in Betracht.

In seiner diesbezüglichen Stellungnahme hat der Leiter der JVA Folgendes ausgeführt:

Vollstreckungslockerungen konnten ihm aufgrund der langjährig bestehenden, behandlungsbedürftigen Drogensucht und der damit verbundenen Missbrauchs- und Rückfallgefahr nicht gewährt werden.

(…)

Nach Abwägung aller Aspekte wird eine vorzeitige Entlassung gem. § 57 I nur im nahtlosen Übergang in eine stationäre Drogentherapie befürwortet.

Am 19.07.2010 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für einen Therapieplatz im Sinne von §§ 9 ff. SGB VI in der Einrichtung Z in X-Stadt beantragt.

Mit Bescheid vom 26.07.2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI ab. Eine Leistungsgewährung käme demnach für Versicherte, die sich im Vollzug einer Freiheitsstrafe befänden nicht in Betracht.

Am 06.08.2010 hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 26.07.2010 Widerspruch erhoben. Zur Begründung hat sich der Antragsteller dabei auf die in der Vergangenheit erteilte Kostenzusage der Antragsgegnerin berufen, welche er nur deshalb nicht habe antreten können, weil seine Strafe nicht zurückstellungsfähig im Sinne von § 35 BtMG war und er deshalb gezwungen war die Haft anzutreten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2010 - in dem die Antragsgegnerin, ausweislich des Tatbestandes, die unterstützende Haltung der JVA registriert hat - hat sie den Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen. Zwar habe der Antragsteller die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, jedoch scheide eine Leistungsgewährung gem. § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI aus. Wörtlich heißt es im Widerspruchsbescheid:

Nach der Haftentlassung kann erneut ein Antrag auf Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung gestellt werden.

Mit Schreiben vom 18.10.2010 wandte sich der Antragsteller mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz an das Sozialgericht Fulda. Am selben Tag erhob er auch Klage in der Hauptsache, welche unter dem Aktenzeichen S 3 R 251/10 geführt wird.

Der Antragsteller ist Auffassung, ihm stünde bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein Anspruch auf eine Kostenzusage zu. Weil er selbst im Hinblick auf fehlendes Vermögen und Einkommen nicht zur Finanzierung eines Drogentherapieplatzes in der Lage sei, müsse die Antragsgegnerin eine entsprechende Kostenzusage erteilen. Nur auf der Basis dieser Kostzusage käme eine Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 57 StGB in Betracht, weil der zuständige Richter der Strafvollstreckungskammer einer Strafaussetzung zur Bewährung regelmäßig nur dann zustimmen würde, wenn ein Verurteilter mit Suchtproblemen nahtlos von der Haft in eine Drogentherapie wechseln könne.

Für die Antragsgegnerin stelle die Zusage auch kein finanzielles Risiko dar, weil für den Fall, dass sie die Zusage erteilt und der zuständige Richter der Vo...

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