Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Ermittlung des Einkommens- und Vermögens. Berücksichtigung von angespartem Blindengeld als Vermögen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Ermittlung des Einkommens eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende wird ein gewährtes Blindengeld nicht als Einkommen berücksichtigt, da es sich um eine staatliche Zuwendung handelt, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB 2 dienen.

2. Soweit aus dem Blindengeld durch den Betroffenen Vermögen angespart wurde, bleibt auch dieser Teil des Vermögens bei der Bedarfsermittlung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Berücksichtigung, so dass ein Leistungsanspruch nicht mit Verweis auf das vorhandene Vermögen versagt werden kann. Denn die Verwertungspflicht in Bezug auf das angesparte Blindengeld stellt eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB 2 dar.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 25.11.2010 ab 08.01.2011 bis zum 25.04.2011 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger nach Auslaufen seines Arbeitslosengeldes I-Anspruchs am 07.01.2011 bis zum 25.04.2011 ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II trotz vorhandenem angesparten Blindengeld zusteht.

Der am 00.00.1978 geborene Kläger ist blind. Der am 08.05.2007 von dem Versorgungsamt Wuppertal ausgestellte Schwerbehindertenausweis weist einen GdB in Höhe von 100 aus.

Mit Bescheid vom 29.05.2007 wurde ihm von Landschaftsverband Rheinland die Zahlung von Blindengeld nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG)I ab 01.03.2007 bewilligt und bei einer monatlichen Bewilligung von 588,00 Euro ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2928,00 Euro angewiesen. Mit Schreiben vom 26.11.2010 teilte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger mit, dass sein Anspruch auf ALG I gem. § 117 SGB III voraussichtlich am 07.01.2011 ende.

Der Kläger erhielt ALG I in Höhe von 38,87 Euro täglich (1166,10 Euro monatlich) gem. Änderungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 22.12.2009.

Der Kläger bewohnt eine Wohnung mit Bruttokaltmiete mit 440,00 Euro. Bis Dezember 2010 zahlte der Kläger an seinen Sohn N-Q1 I 272,00 Euro Unterhalt, der ab 01.01.2011 eingestellt wurde.

Mit Antrag vom 25.11.2010 beantragte der Kläger mit Wirkung "Auslauf Arbeitslosengeld I" die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. In dem Antrag gab er an, Blindengeld in Höhe von monatlich 608,96 Euro zu erhalten. Weiterhin wies er folgende Vermögenswerte nach:

- Girokonto bei der Stadtsparkasse T S-Giro Q2 000000: 1255,06 EUR,

- Tagesgeldkonto bei der Stadtsparkasse T, S-D 0000000: 5727,83 EUR,

- Konto bei der Deutschen Bank, Ktnr.: 0000000000: 1076,00 EUR.

Insgesamt: 8058,89 EUR.

Aus den vorgelegten Kontoauszügen (November bis Dezember 2010) ergibt sich, dass der Kläger monatlich 200,00 Euro auf sein Sparbuch überweist unter der Überschrift "Sparen für Eigentum" und monatlich 26,00 Euro vermögenswirksam spart (VL).

Mit Bescheid vom 02.02.2011 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, dass dieser nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II sei. Sein zu berücksichtigendes Vermögen (8058,89 Euro) übersteige den ihm zu gewährenden Vermögensfreibetrag in Höhe von 5550,00 Euro.

Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 17.02.2011 begründete der Kläger damit, dass es sich bei den Beträgen auf den Giro- und Tagesgeldkonto ausschließlich um angespartes Blindengeld handele und dieses anrechnungsfrei sei. Ergänzend weist der Kläger auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 20/06 R sowie auf die Entscheidung vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 6/07 R hin, denen zu entnehmen sei, dass das aus Blindengeld stammende Vermögen gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II privilegiert sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Der Beklagte meint, dass das auf den Konten befindliche Guthaben keine "besondere Härte" im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II darstelle. Die Härtefallregelung stelle auf atypische Fälle ab, bei denen aufgrund einer Gesamtbetrachtung besondere Umstände des Einzelfalles eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation werde, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden nachhaltig beeinträchtigt werde, wobei insbesondere auf die künftige Verwendung des Vermögens abzustellen sei. Eine solche Atypik könne vorliegend nicht erkannt werden.

In der am 22.08.2011 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass es sich bei dem Geld auf dem Tagesgeldkonto (5727,83 Euro) und auf dem Girokonto (1255,06 Euro) um angespartes Blindengeld handele. Den Betrag auf dem Girokonto habe er vom Tagesgeldkonto überwiesen, um zum Zeitpunkt der Antragstellung se...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge