Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Einkommen des Stiefvaters auf den Bedarf des hilfebedürftigen Kindes

 

Orientierungssatz

1. Bei unverheirateten Kindern, die mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben, und die die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen beschaffen können, ist das Einkommen und Vermögen des mit dem Elternteil in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. Gegen die Verfassungskonformität der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 SGB 2 bestehen keine gravierenden Bedenken.

2. Damit ist das Einkommen des Stiefvaters auf den Bedarf es Kindes seiner Partnerin anzurechnen.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der am 21.3.2007 von den Antragstellerinnen erhobene Antrag,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ab dem 1.2.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) ohne Anrechnung des Einkommens ihres Stiefvaters S zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Soweit die Antragstellerinnen die vorläufige Gewährung von Sozialhilfeleistungen für die Zeit vom 1.2.2007 bis zum 20.3.2007 erstreben, bleibt der Antrag ohne Erfolg, weil im Eilverfahren eine Anordnung auf rückwirkende Bewilligung von Sozialhilfeleistungen grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Das Eilverfahren dient allein der Abwendung einer gegenwärtigen Notlage. Eine zusprechende Entscheidung des Gerichtes kommt daher grundsätzlich erst ab Antragstellung bei Gericht in Betracht, hier also ab dem 21.3.2007. Leistungen für davor liegende Zeiträume müssen im Hauptsacheverfahren erstritten werden.

Auch der weitergehende Antrag auf Gewährung von Leistungen ab dem 21.3.2007 bleibt erfolglos, weil er unbegründet ist.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte Anspruch - hier auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II - (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die einschränkte gerichtliche Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im einstweiligen Verfahren (LSG NRW - Beschluss vom 14.6.2005 - L 1 B 2/05 AS ER -). Die Entscheidung des Gerichtes im einstweiligen Rechtsschutz darf zudem grundsätzlich keine Vorwegnahme der Hauptsache enthalten (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 86b Rdn. 31).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt sowohl am Anordnungsanspruch (1) als auch am Anordnungsgrund (2). Eine einstweilige Anordnung gegen die Antragsgegnerin kam daher nicht in Betracht.

(1) Ein Anordnungsanspruch kann das Gericht nicht feststellen. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Antragstellerinnen nicht hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II. Ihre Hilfebedürftigkeit entfällt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB II in der seit dem 1.8.2006 geltenden Fassung (n.F.), da das Einkommen ihres Stiefvaters auf ihren Bedarf anzurechnen ist und das gesamte Einkommen der Bedarfsgemeinschaft ausreicht, den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft und damit auch der Antragstellerinnen vollumfänglich zu decken. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II n.F. ist bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben, und die die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen beschaffen können, das Einkommen und Vermögen des mit dem Elternteil in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. Die Antragstellerinnen haben im Antragsverfahren nicht geltend gemacht, dass die Antragsgegnerin die Leistungen nach dem SGB II unter Beachtung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II n.F. fehlerhaft berechnet hätte, so dass das Gericht davon ausgeht, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Berechnung in dem aktuellen Ablehnungsbescheid vom 3.4.2007, mit dem eine Gewährung von Leistungen ab dem 1.3.2007 versagt worden ist, zutreffend ist. Vielmehr erheben die Antragstellerinnen verfassu...

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