Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nachweis der Hilfebedürftigkeit. Mitwirkungspflicht. Beweislast. Untersuchungsgrundsatz

 

Orientierungssatz

1. Zum Nachweis bzw zur Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 Nr 2 SGB 2 bei Verschleierung der Einkommens- und Vermögenssituation.

2. Wurden noch keine präzisen Ermittlungen über Aktiva und Passiva eines vom Antragsteller betriebenen Gewerbes sowie über die Geldbewegungen auf den Konten des Antragstellers durchgeführt, hat die daraus folgende Ungewissheit nicht zur Folge, dass dem Antragsteller vorläufig bis zum Ausschöpfen etwaiger ergänzender Beweisansätze Leistungen nach dem SGB 2 zu bewilligen wären, denn dies liefe auf eine faktische Umkehr der Beweislast zu Ungunsten der durch die Sozialhilfeträger handelnde Allgemeinheit hinaus.

3. Bei Beantragung von Leistungen nach dem SGB 2 handelt es sich um die Beantragung eines Verwaltungsaktes mit sechsmonatiger Dauerwirkung (§ 41 Abs 1 S 4 SGB 2). Spiegelbildlich ist daher auch bei der gerichtlichen Überprüfung einer ablehnenden Entscheidung der gesamte Sechs-Monats-Zeitraum zu überprüfen, sofern nicht Besonderheiten eine Beantragung kürzerer oder längerer Leistungen nahe legen.

4. Die behördliche Ermittlungspflicht gem § 20 SGB 10 findet dort ihre Grenze, wo eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ohne eine Mitwirkung der Antragsteller unmöglich ist.

5. Ist die Glaubwürdigkeit des Antragstellers aufgrund besonderer Umstände erheblich erschüttert, sind zusätzlich widerspruchsfreie und lückenlose Nachweise in Form beweiskräftiger Urkunden bzw durch das Zeugnis im Inland ladungsfähiger glaubwürdiger Zeugen zu fordern.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.01.2005 in der Fassung vom 17.02.2005 wird auf die Beschwerde der Antragsgegnerin geändert und wie folgt gefasst: Der Antrag des Antragstellers vom 10.01.2005 auf einstweiligen Rechtsschutz wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1957 geborene und in E wohnhafte Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutz Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Bis zum 23.06.2004 erhielt er nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Leistung stellte die Stadt E wegen unklarer wirtschaftlicher Verhältnisse ein, nachdem sie einen anonymen Hinweis auf Einnahmen des Antragstellers aus einem nicht gemeldeten Gewerbebetrieb (Produktion und Vertrieb von Pornofilmen) erhalten hatte. Anträge auf einstweilige Bewilligung von Sozialhilfe wies das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf durch Beschlüsse vom 09.07.2004 (- 19 L 1957/04 -) und vom 17.09.2004 ( - L 19 2693/04 -) zurück. Beide Beschlüsse sind, nachdem die dagegen erhobene Beschwerde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW verworfen wurde, rechtskräftig (- 16 B 1472/04 -). Das Hauptsacheverfahren ist unter dem Aktenzeichen 19 K 6775/04 bei dem VG Düsseldorf anhängig.

Am 21.11.2004 suchte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin um Leistungen nach dem SGB II nach. Er trug vor, er habe keine Barmittel mehr, außerdem Mietrückstände in Höhe von 3000 EUR und sei nicht mehr in der Lage, seinen Unterhalt zu bestreiten.

Am 10.01.2005 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf einstweiligen Rechtsschutz beantragt: Er hat den Erlass eines Bescheides nach dem SGB II und die Bewilligung von "Mitteln zum Lebensunterhalt und zur Wohnungsmiete durch die Stadt E oder die Bundesagentur für Arbeit" begehrt.

Die Antragsgegnerin hat die Abweisung dieses Antrages beantragt und zur Begründung ausgeführt: Der Antragsteller habe durch Verwendung eines falschen Namens ("O" - des zweiten Namens seiner ukrainischen Ehefrau) bei der Gewerbeanmeldung versucht, über seine Erwerbstätigkeit zu täuschen; wie nach dem alten Recht der Sozialhilfe müsse er auch nach dem SGB II zunächst beweisen, seinen Lebensunterhalt nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen sicherstellen zu können. Dem stünden sowohl unaufgeklärte Zahlungseingänge auf dem Girokonto des Antragstellers bei der D-Bank wie auch fehlende Nachweise über den Verbleib einer Erbschaft des Jahres 2002 in Höhe von 30.000 EUR entgegen. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass der Antragsteller seinem Gewerbe - Pornofilmherstellung - weiter nachgehe und daraus Einnahmen erziele.

Dafür spreche seine eigene Einlassung, einen von seiner Mutter erhaltenen Kredit dazu zu verwenden, "sein Gewerbe in Schwung zu bekommen".

Das SG Düsseldorf hat dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss vom 26.01.2005 (am 27.01.2005 zugestellt) stattgegeben und die Bundesagentur für Arbeit vertreten durch die Geschäftsführung der Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung über seinen Antrag 80 % der nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antragsteller habe glaubhaft gemacht, dass er derzeit mittellos sei; als ehemaliger Sozialhilfeempfänger habe er auch Ans...

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