Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Rechtmäßigkeit der Festbetragsfestsetzung für das Arzneimittel Sortis. Klagebefugnis des Versicherten gegen die Festbetragsfestsetzung

 

Orientierungssatz

1. Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Sortis ohne Begrenzung der Leistungspflicht der Krankenkasse auf den Festbetrag für Arzneimittel.

2. Bei Klagen auf eigenanteilsfreie Versorgung mit Arzneimitteln, für die ein Festbetrag festgesetzt ist, umfassen die Klagebefugnis des Versicherten und der Prüfungsumfang des Gerichts auch die inzidente Kontrolle der Festbetragsfestsetzung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Festbetragsgruppeneinteilung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. Diese Rechtsschutzmöglichkeit besteht gleichberechtigt neben der Möglichkeit der unmittelbaren Klage gegen die Festbetragsfestsetzung nach § 35 Abs 7 S 2 SGB 5, § 29 Abs 4 Nr 3 SGG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.07.2012; Aktenzeichen B 1 KR 22/11 R)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel Sortis® (Wirkstoff Atorvastatin) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Begrenzung auf den Arzneimittelfestbetrag.

Die 1940 geborene Klägerin beantragte am 26.04.2007 in Form eines Attests ihrer Hausärztin, Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H., die eigenanteilsfreie Versorgung mit dem Medikament Sortis® . Zur Begründung gab die Ärztin an, die Klägerin leide an einer Hyperlipidämie, die durch konsequente Ernährungsumstellung und optimales Körpergewicht nicht habe gebessert werden können. Unter Lipidsenkern hätten sich die Werte zwar gebessert, jedoch seien erhebliche Nebenwirkungen aufgetreten. Unter Sortis® habe die Klägerin auf normale Blutwerte ohne Nebenwirkungen eingestellt werden können. Deshalb rate sie zur Einnahme von Sortis® und bitte um Prüfung einer Kostenübernahme auch für den Eigenanteil.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.05.2007 ab. Ihre Leistungspflicht beschränke sich auf den Festbetrag der Festbetragsgruppe 2. Es werde angeregt, eine Umstellung der Medikation auf Statine ohne Eigenanteil zu prüfen. Werde an der Verordnung von Atorvastatin festgehalten, sei auf Grund der Preispolitik des Herstellers keine Versorgung ohne Mehrkosten möglich.

Den hiergegen am 04.06.2007 mit der Begründung, nur bei Einnahme von Sortis® träten keine Nebenwirkungen auf, erhobenen Widerspruch vom 29.05.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2007 , der am 06.07.2007 abgesandt wurde, zurück. Nach Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses seien alle Statine therapeutisch vergleichbar, zweckmäßig und geeignet, um das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko durch Senkung der Blutfettwerte zu mindern. Die Zuordnung zur Festbetragsgruppe 2 sei durch das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22.11.2005, Az. S 81 KR 3778/04, bestätigt worden. Es habe sich nicht feststellen lassen, dass Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung darstellt.

Hiergegen richtet sich die am 06.08.2007 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage vom 02.08.2007, mit der die Klägerin ihr Begehren nach einer eigenanteilsfreien Versorgung mit dem Arzneimittel weiter verfolgt. Nach Aussage ihrer behandelnden Ärztin sei Sortis® im Gegensatz zu anderen Lipidsenkern wie Pravastatin und Fenofibrat ohne Nebenwirkungen und damit das einzige geeignete Medikament. Wenn es sich als zur Heilbehandlung erforderlich erweise, müsse die Beklagte auch die den Festbetrag übersteigenden Kosten in diesem medizinisch begründeten Ausnahmefall übernehmen. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB V müssten die Festbetragsgruppen gewährleisten, dass die Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen. Eine solche Alternative zur Versorgung mit Sortis® sei zum Festbetrag nicht ersichtlich. Die Gründe, auf die das Sozialgericht Berlin sein Urteil vom 22.11.2005, Az. S 81 KR 3778/04, gestützt habe, seien zum Einen überholt (Beweis: Arzneimittelinformation der P. GmbH " Sortis® aktuell" 3/07). Zum Anderen stehe die Entscheidung im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin einer vollen Kostenübernahme im Einzelfall nicht entgegen. Die Notwendigkeit der Versorgung der Versicherten mit dem Medikament zum Festbetrag werde durch eine Rabattvereinbarung zwischen der Deutschen BKK und der P. GmbH bestätigt. Nach den Erfahrungen der behandelnden Allgemeinmedizinerin führe jedes andere Statin zu Nebenwirkungen und habe keinerlei therapeutischen Effekt. Aus den Gründen des Urteils des Bundessozialgerichts vom 05.07.1995, Az. 1 RK 6/95, sei zu schließen, dass keine Bindung an ein entgegenstehendes oder fehlendes Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses bestehe, wenn die Wirksamkeit eines Arzneimittels in einer statistisch relevanten Zahl von Fällen belegt sei. Jede andere Entscheidung würde die Klägerin unangemess...

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