Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Versorgung mit dem Arzneimittel Sortis ohne Begrenzung auf den Festbetrag. keine inzidente Kontrolle der Festbetragsfestsetzung im Leistungsstreit. Rechtsschutz gegen die Festsetzung von Festbeträgen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine inzidente Kontrolle der Festbetragsfestsetzung findet im Leistungsstreit eines Versicherten nicht statt.

2. Ein Arzneimittelfestbetrag begrenzt die Leistungspflicht der Krankenkasse dann, wenn er bei Anlegung eines generalisierenden Maßstabes für die Versorgung objektiv ausreicht.

 

Orientierungssatz

Wie § 35 Abs 7 S 2 bis 3 SGB 5 zeigt, ist Rechtsschutz gegen die Festsetzung von Festbeträgen keineswegs ausgeschlossen; lediglich die gesonderte Klage gegen die Gruppenbildung, gegen Vergleichsgrößen und sonstige Bestandteile der Festbetragsfestsetzung ist unzulässig (§ 35 Abs 7 S 4 SGB 5). Befugt zur Erhebung einer Anfechtungsklage gegen eine Festbetragsfestsetzung müssen auch die Versicherten sein (Entgegen BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R = BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.07.2012; Aktenzeichen B 1 KR 22/11 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versorgung mit dem Arzneimittel Sortis (Wirkstoff Atorvastatin) ohne Begrenzung auf den Festbetrag.

Die 1940 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin leidet unter Hyperlipidämie. Für sie beantragte am 26.04.2007 die Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. H1 die eigenanteilsfreie Versorgung mit dem Arzneimittel Sortis, weil die Klägerin nur unter diesem Medikament auf normale Blutwerte ohne Nebenwirkungen habe eingestellt werden können. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.05.2007 ab, weil Statine ohne Eigenanteil zur Verfügung stünden. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2007 zurück. Nach Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses seien alle Statine therapeutisch vergleichbar, zweckmäßig und geeignet, um das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko durch Senkung der Blutfettwerte zu mindern. Die Einordnung von Sortis mit anderen Lipidsenkern in eine Festbetragsgruppe sei durch das Sozialgericht (SG) Berlin bestätigt worden (Urteil vom 22.11.2005 - S 81 KR 3778/04 - juris).

Die Klägerin hat mit ihrer am 06.08.2007 beim SG Dresden erhobenen Klage geltend gemacht, nach Aussage der behandelnden Ärztin sei Sortis im Gegensatz zu anderen Lipidsenkern ohne Nebenwirkungen und damit das einzige geeignete Medikament. In diesem medizinisch begründeten Ausnahmefall müsse die Beklagte auch die den Festbetrag übersteigenden Kosten übernehmen. Eine Arzneimittelinformation des Herstellers zeige, dass die Gründe, auf die sich das SG Berlin gestützt habe, überholt seien. Eine Bindung an ein entgegenstehendes oder fehlendes Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses bestehe nicht, wenn die Wirksamkeit eines Arzneimittels in einer statistisch relevanten Zahl von Fällen belegt sei. Die Leistungspflicht der Beklagten ergebe sich auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5), da Hyperlipidämie ein lebensbedrohliches Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko bewirke und die Studienlage für Sortis weit mehr als eine entfernte Aussicht auf positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs biete.

Das SG Dresden hat einen Befundbericht der Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. H1 vom 25.10.2007 eingeholt und mit Urteil vom 10.07.2008 die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne die Versorgung mit dem Arzneimittel Sortis ohne Beschränkung auf den Festbetrag nicht beanspruchen. Die der gemeinsamen Einordnung der Statine in eine Festbetragsgruppe zugrunde liegende Annahme des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass die Wirkstoffe aller Statine pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar seien und Atorvastatin keine therapeutische Verbesserung gegenüber den übrigen Statinen bedeute, sei nicht zu beanstanden. Das Arbeitspapier des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, auf das sich der Gemeinsame Bundesausschuss gestützt habe, lasse eine umfassende Auswertung und Würdigung der verfügbaren Studien erkennen. Insbesondere hinsichtlich der im Falle der Klägerin im Vordergrund stehenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen hätten dabei keine generellen therapeutischen Verbesserungen von Atorvastatin gegenüber anderen Statinen festgestellt werden können. Es bestehe kein Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Richtigkeit der Festbetragsgruppeneinteilung. Die in der Arzneimittelinformation des Herstellers, die von der behandelnden Ärztin übersandt worden sei, benannten Studien seien im Arbeitspapier des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen im Wesentlichen bereits in die Aus...

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