Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Regelsatz nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB 12. Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3. Ungleichbehandlung gegenüber Leistungsberechtigten nach dem SGB 2. keine sachliche Rechtfertigung. keine Vorlagepflicht an das BVerfG. Qualität einer Rechtsverordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelbedarfsstufe 3 stellt eine Ungleichbehandlung von Leistungsberechtigten nach dem SGB 12 gegenüber solchen nach dem SGB 2 dar, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Es ist daher an der Rechtsprechung des BSG festzuhalten, dass nach Maßgabe des Gleichheitssatzes gem Art 3 GG und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem SGB 2 und dem SGB 12 Einsparungen bei gemeinsamem Haushalt nur angenommen werden können, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft iS des SGB 2 oder eine Einsatzgemeinschaft iS des SGB 12 bilden (vgl BSG vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R = BSGE 103, 181 = SozR 4-3500 § 42 Nr 2).

2. Bei der Anlage zu § 28 SGB 12 handelt es sich um eine Rechtsverordnung. Die darin enthaltenen Regelungen können daher von jedem Gericht verworfen werden, eine Vorlage an das BVerfG ist nicht erforderlich.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.07.2014; Aktenzeichen B 8 SO 14/13 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 29.03.2011 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.07.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2011 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum April bis September 2011 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.

3. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

4. Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1.

Die im Jahre 1921 geborene Klägerin lebte zunächst in T und bezog dort Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Seit Ende Juli 2009 wohnt sie in C in der Wohnung der Frau X, die im Jahr 1940 geboren ist. Der Hintergrund für den Umzug bestand darin, dass sich die Frau X bereit erklärt hatte, die notwendige Pflege der Klägerin zu übernehmen. Die Wohngemeinschaft ist auf Dauer angelegt. Die Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt (GdB 60 und Merkzeichen G). Sie erhält Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II, zunächst als Pflegegeld und später als Sachleistung. Über weiteres Einkommen oder Vermögen verfügt die Klägerin nicht. Die Unterkunftskosten für die Wohnung belaufen sich insgesamt auf 330,- EUR und die Heizkosten auf 90,- EUR. Von diesen Kosten haben die Klägerin und die Frau X jeweils die Hälfte zu tragen. Das Warmwasser wird nicht über die Heizungsanlage, sondern mit Strom erzeugt. Die Klägerin ist gesetzlich kranken- und pflegeversichert, der Beitrag belief sich zunächst auf 138,40 EUR.

Die Klägerin beantragte am 08.09.2009 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII bei der Beklagten. Diese bewilligte die Leistungen mit Bescheid vom 29.09.2009 für den Zeitraum Oktober 2009 bis September 2010.

Auf den Folgeantrag der Klägerin bewilligte die Beklagte die Leistungen der Grundsicherung mit Bescheid vom 27.09.2010 für den Zeitraum Oktober 2010 bis September 2011 i. H. v. 768,43 EUR pro Monat. Dieser Betrag setzt sich aus dem Regelsatz für den Haushaltsvorstand i. H. v. 359,- EUR, dem Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII i. H. v. 61,03 EUR, dem Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 138,40 EUR und dem hälftigen Anteil an den Unterkunfts- und Heizkosten i. H. v. 210,- EUR zusammen. Mit Bescheid vom 24.02.2011 bewilligte die Beklagte aufgrund einer Erhöhung des Beitrages für die Kranken- und Pflegeversicherung auf 143,51 EUR ab Januar 2011 einen Betrag i. H. v. 773,54 EUR.

Mit Bescheid vom 29.03.2011 setzte die Beklagte die Leistungen der Klägerin für den Zeitraum April bis September 2011 nach § 48 SGB X neu fest und bewilligte einen Betrag von 693,98 EUR pro Monat. Dieser setzt sich aus dem Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 3 i. H. v. 291,- EUR, dem Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII i. H. v. 49,47 EUR, dem Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 143,51 EUR und dem hälftigen Anteil an den Unterkunfts- und Heizkosten i. H. v. 210,- EUR zusammen.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 11.04.2011 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass sie weiterhin einen Anspruch auf den vollen Regelsatz habe. Es sei keine Änderung in ihrer persönlichen Situation eingetreten, die es rechtfertigen würde, ihr nur noch 80% des Regelsatzes zu bewilligen.

Mit Bescheid vom 28.07.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin die Leistungen nach dem SGB XII für den Zeitraum April bis September 2011 i. H. v. 700,67 EUR pro Monat....

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