Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Übernahme von Miet- und Nebenkosten während einer Inhaftierung. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. drohende Wohnungslosigkeit nach Haftentlassung. Prognose zur Erwartbarkeit besonderer sozialer Schwierigkeiten. Unterkunft und Heizung. Unschädlichkeit vorübergehender Abwesenheitszeiten. nicht bei Haftdauer von zehn Monaten

 

Orientierungssatz

1. Zu den besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten iS des § 67 S 1 SGB 12 kann auch der drohende Wohnungsverlust nach einer Haftentlassung gehören.

2. Entscheidend ist hierbei nicht allein die Haftdauer; vielmehr ist eine prognostische Einschätzung dahingehend vorzunehmen, ob bei Haftentlassung besondere soziale Schwierigkeiten für den Fall eines Verlusts der innegehabten Wohnung zu erwarten wären (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 24/12 R = SozR 4-3500 § 67 Nr 1). Dabei kann in zeitlicher Hinsicht jedoch die Notwendigkeit von Geldleistungen umso konkreter gegeben sein, je näher die Haftentlassung bevorsteht. Umgekehrt kann eine ausreichend sichere Prognose dann nicht erstellt werden, wenn die Umstände nach Haftentlassung schon wegen der verbleibenden Haftdauer nicht eingeschätzt werden können.

3. Die Gewährung laufender Unterkunftskosten gem § 35 Abs 1 S 1 SGB 12 setzt voraus, dass die Unterkunft, für die die Kostenübernahme gewährt werden soll, tatsächlich genutzt wird, wobei vorübergehende Abwesenheitszeiten wie beispielsweise Urlaubsreisen unschädlich sind. Bei einer tatsächlichen Haftdauer von zehn Monaten liegt eine vorübergehende Abwesenheit nicht mehr vor.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darum, ob der Kläger von der Beklagten für die Dauer der Strafhaft Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen kann.

Der Kläger wurde am 00.00.1984 geboren. Am 31.08.2012 beantragte er die Gewährung von Leistungen für die Miete seiner Wohnung in der M-straße 00 ab seiner Inhaftierung ab dem 07.09.2012. Für die Wohnung waren eine Kaltmiete von 230 EUR sowie pauschale Heiz- und Nebenkosten in Höhe von 101 EUR zu zahlen. Am 07.09.2012 trat der Kläger die Strafhaft in der JVA C-T an. Ausweislich der Haftbescheinigung vom 11.09.2012 sollte der voraussichtliche Austritt am 06.02.2014 sein.

Mit Bescheid vom 14.09.2012 lehnte die Beklagte die Übernahme der Unterkunftskosten ab. Die Voraussetzungen der §§ 67, 68 SGB XII seien nicht erfüllt. Es sei bereits nicht erkennbar, dass im Falle des Klägers ein selbstbestimmtes Leben ausgeschlossen oder gefährdet sei. Auch vor der Inhaftierung habe er keiner Hilfen nach dem 8. Kapitel des SGB XII bedurft. Zudem komme eine Hilfegewährung nach den vorgenannten Bestimmungen nur in Betracht, wenn die Dauer der Inhaftierung maximal sechs Monate betrage. Der Kläger habe dagegen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten zu verbüßen. Auch in der aktuellen Rechtsprechung sei kein Fall ersichtlich, wonach die Übernahme der Mietkosten für einen derart langen Zeitraum als gerechtfertigt angesehen worden sei. Hiergegen legte der Kläger am 15.10.2012 Widerspruch ein. Es werde bereits jetzt um Überprüfung gebeten, ob nicht wenigstens für eine gewisse Zeit die Miete fortgezahlt werden könne. In dieser Zeit könnten Freunde und Verwandte die Wohnung räumen und die Möbel sichern. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2012 wies der Kreis Steinfurt den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 24.01.2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus: Bei ihm bestünden besondere Lebensverhältnisse. Diese bestünden gemäß § 1 der VO zu § 69 SGB XII auch bei Personen, die aus geschlossenen Einrichtungen entlassen würden. Dies beträfe auch die Entlassung aus der Strafhaft. Dem Inhaftierten könne Obdachlosigkeit drohen, wenn er nicht in seine Wohnung zurückkehren könne. Insoweit sei die Hilfe zur Erhaltung der Wohnung auch präventiv, weil sie im Hinblick auf eine bevorstehende konkret abzusehende Entlassung erforderlich sei. Die Haftdauer stünde dem nicht entgegen. Bei dem Kläger sei davon auszugehen, dass ein Halbstrafenantrag Erfolg haben werde, sodass die Haftstrafe, die er tatsächlich verbüßen müsse, unter einem Jahr liege. Tatsächlich sei er dann auch am 12.07.2013 bereits aus der Haft entlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei seine Wohnung in der M-straße 00 geräumt gewesen. Der Vermieter verlange die Mietzahlung für die zehn Monate der Haftdauer. Er habe zunächst übergangsweise bei einer Freundin gewohnt und nunmehr zum 01.08.2013 eine neue Wohnung angemietet.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2012 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB XII für die Wohnung M-straße 00 in M1 ab dem 01.09.2012 in Höhe von 331 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid.

Wegen ...

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