Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Versicherungspflicht bzw. -freiheit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 sind versicherungspflichtig Arbeiter und Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.

2. Nach § 6 Abs. 3a SGB 5 sind Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren.

3. Die Regelung dient einer klaren Abgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung und soll die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Versicherten schützen.

4. Weitere Voraussetzung der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a S. 2 SGB 5 ist, dass der Betreffende mindestens 910 Kalendertage innerhalb der Rahmenfrist versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB 5 nicht versicherungspflichtig gewesen ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.06.2012; Aktenzeichen B 12 KR 11/10 R)

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 1. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2008 wird aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin seit dem 9. Juli 2008 der Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten.

Die jetzt 61-jährige Klägerin war zuletzt in der Zeit vom 18. Oktober 1997 bis 2. Januar 1998 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. In der Zeit von April 1999 bis April/Mai 2004 war sie bei der Firma W. geringfügig beschäftigt und nicht gesetzlich krankenversichert. Anschließend in der Zeit von 2004 bis zum 6. Januar 2008 war sie privat krankenversichert. In der Zeit vom 17. Januar 2008 bis 7. Juli 2008 arbeitete sie bei der Firma S., A-Stadt, geringfügig und war nicht gesetzlich krankenversichert. Ab dem 9. Juli 2008 begründete sie ein Arbeitsverhältnis mit der Firma G. D. GmbH in B-Stadt.

Am 2. Januar 2008 stellte die Beklagte eine Mitgliedsbescheinigung aus, wonach die Klägerin gemäß § 175 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seit dem 7. Januar 2007 bei ihr Mitglied sei.

Mit Schreiben vom 26. August 2008 wandte sich die Beklagte an die Klägerin wegen deren Antrag auf Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung. Sie wies auf die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft für Personen hin, die 55 Jahre und älter sind. Mit weiterem Schreiben vom 1. September 2008 wandte sich die Beklagte an die Arbeitgeberin der Klägerin und teilte dieser mit, dass die dortige Beschäftigung der Klägerin kranken- und pflegeversicherungsfrei sei.

Mit Bescheid vom 1. September 2008 stellte die Beklagte fest, dass bezüglich der Klägerin die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft bei ihr nicht vorlägen. Die seit dem 9. Juli 2008 ausgeübte Beschäftigung sei kranken- und pflegeversicherungsfrei. Sie wies in der Begründung darauf hin, dass für Personen, die 55 Jahre und älter seien, nur in Verbindung mit einer Vorversicherungszeit eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gegeben sei. Die Vorversicherungszeit sei erfüllt, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre vor Aufnahme der jetzigen Beschäftigung eine Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse bestanden habe. Darüber hinaus gelte die Vorversicherungszeit als erfüllt, wenn in den letzten fünf Jahren weniger als 30 Monate eine versicherungsfreie Beschäftigung ausgeübt worden sei, eine Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt oder eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei.

Gegen den Bescheid vom 1. September 2008 legte die Klägerin am 16. September 2008 Widerspruch ein. Sie trug vor, dass ihr die Mitgliedsbescheinigung ausgestellt worden sei, nachdem sie mit einer Sachbearbeiterin der Beklagten namens G. A. hierüber gesprochen habe. Erst nachdem sie die Mitgliedsbescheinigung mit Datum vom 2. Januar 2008 erhalten hätte, habe sie ihre private Krankenversicherung mit Schreiben vom 3. Januar 2008 gekündigt.

Nachdem die Beklagte die Klägerin nochmals mit Schreiben vom 30. September 2008 über die Rechtslage informiert hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2008 zurück. In der Begründung wies die Beklagte auf die Regelung des § 6 Abs. 3a SGB V hin, wonach Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei seien, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert gewesen seien. Weitere Voraussetzung sei, dass diese Person mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Die Klägerin sei in der maßgeblichen Rahmenfrist vom 10. Juli 2003 bis 9. Juli 2008 nicht gesetzlich krankenversich...

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