Leitsatz (amtlich)

Der Semesterbeitrag stellt eine im Fälligkeitsmonat nach § 11b Abs. 2 Satz 5 SGB II zu berücksichtigende Aufwendung dar, die den pauschalierten Grundfreibetrag auf die konkrete Aufwendungshöhe erhöhen kann.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2020 in Fassung der Änderungsbescheide vom 21. Juli 2020, 31. Juli 2020 und 22. Dezember 2020 verpflichtet, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines studienbedingten Freibetrages der Klägerin zu 4. für Februar 2020 i. H. v. 382,67 € und für August 2020 i. H. v. 386,39 € zu gewähren.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 20 %.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren (noch) die Gewährung eines höheren studienbedingten Freibetrages für die Klägerin zu 4) im Zeitraum Januar bis Dezember 2020.

Die Kläger zu 1) und 3) sind miteinander verheiratet und die Eltern der Kläger zu 2) und 4). Sie stehen seit Jahren im laufenden (aufstockenden) Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger zu 2) ist schwerbehindert und bezieht Pflege- und Kindergeld; die Klägerin zu 4) ist Studentin an der Universität G und bezieht Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) i.H.v. 451 € sowie Kindergeld. Der Kläger zu 1) ging einer geringfügigen Tätigkeit nach. Im Haushalt wohnt noch ein weiteres Kind der Kläger zu 1) und 3), das jedoch nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft ist.

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 26. November 2019 in Fassung der Änderungsbescheide vom 21. Juli 2020, 31. Juli 2020 und 22. Dezember 2020 Leistungen für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020. Den gegen den Bewilligungsbescheid vom 26. November 2019 eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2020 als unbegründet zurück.

Die Kläger haben am 26. Februar 2020 Klage erhoben und ausgeführt, es sei ein höherer studienbedingter Freibetrag zu gewähren. Der Freibetrag i.H.v. 100 € sei zu gering und stelle, da das Kindergeld ebenfalls angerechnet werde, eine ungerechtfertigte Benachteiligung dar. Die Klägerin zu 4) haben einen Semesterbeitrag zu leisten. Darüber hinaus sei nicht klar, ob der Kläger zu 1) im gesamten Zeitraum Einkommen erwirtschaftet habe.

Die Kläger beantragen,

den Bewilligungsbescheid vom 26. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2020 in Fassung der Änderungsbescheide vom 21. Juli 2020, 31. Juli 2020 und 22. Dezember 2020 abzuändern und den Klägern Leistungen nach dem SGB II für Februar 2020 unter Berücksichtigung eines studienbedingten Freibetrages i. H. v. 382,67 € und für August 2020 unter Berücksichtigung eines studienbedingten Freibetrages i. H. v. 386,39 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

In der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2022 hat die Klägerin zu 4) durch Vorzeigen ihrer Onlinebanking-Kontoauszüge nachgewiesen, dass sie am 11. Februar 2020 einen Semesterbeitrag i.H.v. 382,67 € und am 11. August 2020 i.H.v. 386,39 € gezahlt hat.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes werden auf die Gerichtsakte 26 AS 320/20, 26 AS 1749/19 und 26 AS 1750/19 und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Streitgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 26. November 2019 in Fassung der Änderungsbescheide vom 21. Juli und 31. Juli 2020 sowie 20. Dezember 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2020. Die Änderungsbescheide sind nach § 96 Sozialgesetzbuch (SGG) Teil des Klageverfahrens geworden. Die Kläger begehren - nach Beschränkung des Klageantrages in der mündlichen Verhandlung - nur noch die Anerkennung der Semesterbeiträge als studienbedingten Freibetrag der Klägerin zu 4).

Die so verstandene nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG statthafte und zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Klägerin zu 4) hat einen Anspruch auf Berücksichtigung studienbedingter Freibeträge für Februar 2020 i.H.v. 382,67 € und für August 2020 i.H.v. 386,39 €.

Entgegen der zunächst von den Klägern vertretenen Auffassung sind Leistungen nach dem BAföG als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen (vgl. Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. September 2021 - L 7 AS 1453/20, juris). Eine Ausnahme nach § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II liegt nicht vor, da Einnahmen nach dem BAföG nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund stammen. „Hauptziel des BAföG ist jedoch nicht die Existenzsicherung, sondern die Erhöhung der Chancengleichheit im Bildungswesen sowie die Mobilisierung von...

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