Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheit der Heizkosten. Einzelfallbetrachtung. Guthaben aus einer Wasser- und Abwasserrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei den Heizkosten sind pauschalierte Richtwerte (zB 1,35 EURO je qm) nicht verbindlich. Denn die Höhe der Heizkosten ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, von denen der Arbeitsuchende viele nicht beeinflussen kann (Heizungsart, Brennstoff, Geschosshöhe, Wohnfläche, Zustand der Heizungsanlage, Alter, Behinderung, Wärmeempfinden, Krankheit). Die schlichte Orientierung an Durchschnittswerten wird mithin der durch § 22 Abs 1 SGB 2 gebotenen Einzelfallbetrachtung nicht gerecht.

 

Orientierungssatz

Eine Verrechnung einer Rückzahlung von Wasser- und Abwasserkosten mit den Unterkunftskosten erfolgt zu Recht gem § 22 Abs 1 S 4 SGB 2.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellerinnen in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September 2009 Leistungen unter Berücksichtigung von Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 116,01 Euro zu erbringen.

Die Zahlung erfolgt vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen zu ein Drittel.

 

Gründe

I.

Die Antragsstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung (S 23 AS 650/09 ER), zudem wenden sie sich insbesondere gegen die Kürzung der Unterkunftskosten wegen der Anrechnung eines Guthabens aus einer Wasser- und Abwasserabrechnung (S 23 AS 649/09 ER).

Die Antragstellerin zu 1) lebt mit ihrer Tochter, der Antragstellerin zu 2), zusammen. Sie stehen im laufenden ergänzenden Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin, der Trägerin der Grundsicherung in A-Stadt. Mit Änderungsbescheid vom 11. März 2009 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 in Höhe von 1.065,17 Euro (Oktober und November 2008), 1.079,98 Euro (Dezember 2008 bis Februar 2009), bzw. in Höhe von 1.069,98 Euro (März 2009). Mit weiterem Bescheid vom 13. März 2009 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen Leistungen für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2009. Dabei wurden für den Monat April 937,74 Euro, für den Monat Mai 1.024,19 Euro, für den 1. und 2. Juni 70,28 Euro, für den 3. bis 30. Juni 944,71 Euro und die Monate Juli bis September jeweils 1.012,19 Euro bewilligt. Mit weiterem Schreiben vom 13. März 2009 erklärte die Antragsgegnerin, Betriebskosten und Heizkosten würden auf Grundlage der zu erwartenden tatsächlichen Aufwendungen als Vorauszahlung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB X erbracht. Nach der Jahresabrechnung festgestellte Guthaben stünden damit der Antragsgegnerin zu, soweit die Vorauszahlungen übernommen worden seien. Nach der Abrechnung der swb Enordia (swb) vom 20. Februar 2009 (die dem Gericht nicht vorliegt), habe die Antragstellerin zu 1) ein Guthaben von 76,45 Euro erzielt. Dieses Guthaben stünde der Antragsgegnerin zu. Dies ergebe sich daraus, dass für Wasser und Abwasser 667,08 Euro verbraucht seien. Die Antragsgegnerin habe jedoch Vorauszahlungen in Höhe von 852,00 Euro erbracht. Das bedeute, dass der Antragsgegnerin mehr zustehe, als die Antragstellerin verbraucht habe. Ihr würde damit sogar ein Differenzbetrag in Höhe von 184,92 Euro zustehen. Da allerdings nur ein Gesamtguthaben von 76,45 Euro erzielt worden sei, stehe dieser Betrag insgesamt der Antragsgegnerin zu. Damit sei die Miete im Monat April um diesen Betrag zu mindern. Die Entscheidung beruhe auf § 22 Abs. 1 SGB II.

Mit Schreiben vom 24. März 2009 erhob die Antragstellerin zu 1) gegen den Änderungsbescheid Widerspruch, soweit er die Kosten der Unterkunft und Heizung betraf. Sie machte geltend, im Oktober und November 2008 hätten ihr insofern statt 509,38 Euro 524,37 Euro bewilligt werden müssen, in der Zeit von Dezember 2008 bis Februar 2009 hätten es statt 524,19 Euro im Dezember 2008 524,37 Euro sein müssen und im Januar und Februar 2009 568,79 Euro. Im März 2009 hätten statt 514,19 tatsächlich 568,79 Euro bewilligt werden müssen. Seit dem 1. Januar 2009 betrage ihre Miete 568,79 Euro zuzüglich Wasser- und Abwasserkosten. Sie sei nicht mehr bereit, von ihrem Existenzminimum etwas zur Miete beizutragen. Die Unterkunftskosten seien ihr niemals zutreffend bewilligt worden. Sie beantrage daher, ihre tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten zu Grunde zu legen und die zu Unrecht einbehaltenen Beträge zu erstatten. Sie sei - falls ihre Wohnung zu teuer sei - bereit, eine günstigere Wohnung zu suchen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Antragsgegnerin die Endrenovierung zusichere. Da sie eine Verbraucherinsolvenz durchführe, könne sie keine Wohnung bei einem anderen Vermieter anmieten.

Mit weiterem Widerspruch - ebenfalls vom 24. Mä...

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