Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Erhöhung der Wohnflächengrenze der Wohnraumförderung bei Alleinerziehenden. Ermittlung des Quadratmeterpreises. fehlendes schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. maßgebender Tabellenwert der Wohngeldtabelle bei Alleinerziehenden

 

Orientierungssatz

1. Die in Niedersachsen für einen Dreipersonenhaushalt geltende Wohnflächengrenze von 75 qm erhöht sich nach den geltenden Wohnraumförderungsbestimmungen bei Alleinerziehenden um 10 qm, so dass eine Wohnfläche von 85 qm für 3 Personen als angemessen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu betrachten ist.

2. Liegt kein Mietspiegel bzw keine Mietdatenbank iS der §§ 558c, 558d BGB vor und hat der Grundsicherungsträger auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises im räumlichen Vergleichsbereich vorgelegt, so ist ausnahmsweise ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 WoGG 2 zulässig. Heranzuziehen sind ausschließlich die Werte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle. Unbilligkeiten aufgrund der pauschalierten Regelung sind mit einem Zuschlag von etwa 10 % zu den Werten der Wohngeldtabelle auszugleichen.

3. Maßgebend sind bei Alleinerziehenden die Höchstbeträge der Wohngeldtabelle, die der nach Wohnraumförderungsbestimmungen erhöhten Wohnflächengrenze (hier 85 qm) entsprechen, auch wenn diese Höchstbeträge sonst nur bei einer Unterkunft mit mehr Personen im Haushalt (hier Vier- statt Dreipersonenhaushalt) gelten würden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.06.2010; Aktenzeichen B 4 AS 78/09 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 wird aufgehoben.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. August 2008 wird abgeändert.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern zu 1) bis 3) jeweils - für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 - Kosten der Unterkunft und Heizung von weiteren 156,38 € zu zahlen.

4. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen notwendigen Kosten der Kläger.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die den Klägern zustehenden Kosten für Unterkunft und Heizung.

Die 1971 geborene Klägerin zu 1) steht mit ihren Söhnen - dem 1990 geborenen Kläger zu 2) und dem 1991 geborenen Kläger zu 3) - bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2005 im Leistungsbezug. Die Kläger wohnten in einer 94,03 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung. Die Kaltmiete betrug entsprechend einer Bescheinigung der Vermieterin 427,50 € monatlich. An Nebenkosten zahlten die Kläger 88, 71 €. Zudem zahlten sie monatlich 28,09 € an den Wasserverband für Trinkwasser/Schmutzwasser. Die monatlich fälligen Abschläge für die Heizung betrugen 81,00 € (= 625,30 € insgesamt).

Die Beklagte hatte zunächst die Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen. Im Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2005 wies die Beklagte darauf hin, dass die Unterkunftskosten und Heizkosten unangemessen seien. Soweit diese unangemessen seien, würden diese längstens für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2006 übernommen. Danach erfolge nur Übernahme in angemessener Höhe.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 in Höhe von 1077,35 € monatlich. Als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung erkannte die Beklagte monatliche Kosten in Höhe von 502,50 € an.

Am 23. September 2007 beantragten die Kläger die Überprüfung und Rücknahme dieses Bescheides. Zur Begründung trugen sie vor, dass die Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren seien. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch. Mit Änderungsbescheid vom 27. August 2008 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Monat Juli 2007 Leistungen in Höhe von 1121,66 € und für die Zeit vom 1. August 2006 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von 1121,96 € monatlich. Die Kosten der Unterkunft erkannte die Beklagte in Höhe von 478,50 € monatlich an, Heizkosten übernahm sie monatlich in Höhe von 68,61 € (insgesamt: 547,11 €). Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch - soweit ihm nicht durch den Änderungsbescheid vom 27. August 2008 abgeholfen wurde - zurück.

Dagegen haben die Kläger am 22. September 2008 Klage erhoben. Sie haben zunächst vorgetragen, dass die Kläger zu 2) und zu 3) jeweils einen Anspruch auf eine um 0,06 € höhere Regelleistung hätten. Weiterhin sei das Arbeitslosengeld aufgrund der Rundungsvorschriften in gesetzlicher Höhe zu zahlen sowie Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu einer Höhe von vorerst 200 €. Die Feststellung angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung sei von der Beklagten unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten konkret zu ermitteln. Dies sei bisher nicht erfolgt. Weiterhin habe die Beklagte keine Feststellungen darüber getroffen, ob für die Kläger eine andere, b...

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