Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung nach § 307d SGB 6. Erziehung des Kindes erst nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt

 

Leitsatz (amtlich)

§ 307d SGB 6 begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei der Schaffung von Gesetzestatbeständen, die rückwirkend Vergünstigungen gewähren, ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besonders weit. Ungerechtigkeiten im Einzelfall sind mit Blick auf die allgemeine Praktikabilität einer pauschalierenden Vorschrift in Kauf zu nehmen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berücksichtigung eines zusätzlichen Entgeltpunktes im Rahmen der sog. "Mütterrente".

Die 1951 geborene Klägerin ist Mutter des am 1980 geborenen Kindes J. S. Sie erhält von der Beklagten seit Mai 2014 Altersrente für Schwerbehinderte Menschen aus zunächst 21,7319 persönlichen Entgeltpunkten.

Mit Bescheid vom 14. September 2014 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin neu. Der dem Bescheid beigefügten Anlage 6 ist zu entnehmen, dass im Zuge der Neuberechnung ein zusätzlicher Entgeltpunkt für das am 1980 geborene Kind J. S. berücksichtigt wurde. Es ergaben sich nunmehr insgesamt 22,7193 persönliche Entgeltpunkte. Der ebenfalls beigefügte Versicherungsverlauf enthält für den Monat August 1979 die Eintragung einer freiwilligen Beitragszeit.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 Widerspruch ein, mit welchem sie begehrte, dass auch für das am 1978 geborene Kind S. S. ein zusätzlicher Entgeltpunkt berücksichtigt werde. Sie trug unter Vorlage von Unterlagen des Senators für Familie, Jugend und Sport und einer polizeilichen Anmeldebestätigung vor, dass sie S. am 26. Oktober 1979 bei sich aufgenommen habe, mit dem Ziel der späteren Adoption. Eine frühere Aufnahme von S. in ihren Haushalt sei ihr nicht möglich gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 307 d Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) und die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz als unbegründet zurück.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 2. Januar 2015 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage. Sie ist der Auffassung, dass die gesetzliche Regelung sie unangemessen benachteilige. S. sei mit einer Behinderung auf die Welt gekommen. Zur damaligen Zeit seien behinderte Kinder nie vor Vollendung des ersten Lebensjahres in Pflegefamilien gegeben worden. Daher sei es für sie von vornherein ausgeschlossen gewesen, S. bereits innerhalb des ersten Lebensjahres bei sich aufzunehmen. Sie habe sich gegenüber dem Senator für Familie, Jugend und Sport verpflichten müssen, ihren damals ausgeübten Beruf der Hauswirtschafterin aufzugeben und für die Pflege von S. daheim zu bleiben. Insofern habe sie besonders hohe Opfer erbracht, die nun durch die Regelung des Gesetzgebers generell keine Berücksichtigung finden würden. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung für Adoptiveltern behinderter Kinder dar.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihre Rente unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Entgeltpunktes für das am 1978 geborene Kind S. S. neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide unter Verweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte mit den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen sowie den Inhalt der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Klage hat im Ergebnis keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 14. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines zusätzlichen Entgeltpunktes für das am 1978 geborene Kind S. S.

Die Voraussetzungen des § 307d SGB VI liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift wird für am 30. Juni 2014 gezahlte Renten ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1. in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde, 2. kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.

Der Versicherungsverlauf der Klägerin enthält für den zwölften Monat nach der Geburt von S. (August 1979) keine Kindererziehungszeit.

Dies ist auch rechtlich nicht zu beanstanden. Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit kommt nach §§ 56, 244 SGB VI nur dann in Betracht, wenn der Elternteil das Kind erzogen hat. Die Klägerin hatte das Kind S. im August 1979 noch nicht in ihren Haushalt auf...

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