Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.10.2009; Aktenzeichen B 11 AL 25/08 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger trotz seines Wohnsitzes in den Niederlanden Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.

Der am 00.00.1961 geborene Kläger arbeitete bis zum 31.08. 2003 als Sozialpädagoge in B. Anschließend bezog er Erziehungsgeld bis zum 24.01.2004; seit Juli 2004 wohnt er in den Niederlanden.

Die Beklagte lehnte seinen Antrag auf Alg vom 06.01.2006 mit Bescheid vom 13.02.2006 mit der Begründung ab, er habe seinen Wohnsitz nicht in Deutschland. Seinen am 13.03.2006 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen EU-Bürgern vor. Er habe in den Niederlanden keinen Leistungsanspruch, stehe dem deutschen Arbeitsmarkt so zur Verfügung, als würde er in Deutschland wohnen und und habe angesichts seines Berufs auch nur dort eine realistische Vermittlungschance. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03.04.2006 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 30.06.2006 erhobene Klage.

Der Kläger führt aus, die Berufung auf den Territorialitätsgrundsatz schränke die Arbeitnehmerfreizügigkeit ein. Sie verstoße auch gegen den verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Familie, da die Kindererziehungszeit als eine einer Beschäftigung gleichgestellte Zeit anzusehen sei und es somit nicht darauf ankommen könne, dass er erst nach dem Ende seiner letzten Erwerbstätigkeit in die Niederlande verzogen sei. Für eine Anbindung an das deutsche Sozialleistungssystem spreche auch, dass Kindergeld nach deutschem Recht gezahlt worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung seines Antrags vom 06.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, auch unter der ausweitenden Auslegung, die der sozialrechtliche Territorialitätsgrundsatz in der sog. Miethe-Rechtsprechung des EuGH sowie in der Entscheidung des BSG, B 11 Rar 1/93, erfahren habe, stehe dem Kläger ein Alg-Anspruch zu.

Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben, § 87 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat nach den §§ 117 ff Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m. § 30 Sozialgesetzbuch- Allgemeiner Teil - (SGB I) keinen Anspruch auf Alg.

Nach § 30 Abs. 1 SGB I gelten die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs (SGB) für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB haben. Dass dies beim Kläger nicht der Fall ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Er kann sich auch nicht mit Erfolg auf den in § 30 Abs 2 SGB I enthaltenen Vorbehalt zu Gunsten des überstaatlichen Rechts berufen. Als für den vorliegenden Fall einschlägiges überstaatliches Recht kommt nur Art. 71 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 in Betracht, die jedoch deswegen nicht zur Anwendung gelangt, weil der Kläger kein Grenzgänger im Sinne dieser Verordnung ist.

Grenzgänger sind arbeitslose Arbeitnehmer, die während ihrer letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des zuständigen (Beschäftigungs-)Staates gewohnt haben. Die Frage der Identität von Wohn- und Beschäftigungsstaat bestimmt sich damit nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bzw. des Arbeitsverhältnisses (BSG, Urteil vom 03.07.2003, B 7 AL 42/02 R; Schlegel, in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 37, Rn. 160). Hat ein Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit durchgehend in seinem Wohnsitzstaat ausgeübt und verlegt er erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bzw. Arbeitsverhältnisses den Wohnsitz in einen anderen Mitgliedsstaat, kann er dadurch, dass er sich in einem anderen als dem Wohnstaat um Arbeitsvermittlung und Aufnahme einer Beschäftigung bemüht, die Eigenschaft als echter oder unechter Grenzgänger nicht nachträglich begründen (BSG, Urteil vom 03.07.2003, B 7 AL 42/02 R; BSG, Urteil vom 08.07.1993, 7 RAr 44/92). Die Anwendung von Art 71. EWGV 1408/71 scheidet daher aus, wenn der Wohnsitz erst nach Eintritt der Arbeitslosigkeit vom Beschäftigungsort in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt wird (BSG, SozR 3-6050 Art. 71 Nr. 8).

Das letzte Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis endete am 31.08.2003; zu diesem Zeitpunkt wohnte der Kläger noch im Geltungsbereich des SGB.

Dass der Kläger s...

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