Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Petö-Therapie. Zuständigkeit sowohl des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB 9 als auch des nach materiellem Recht zuständigen Leistungsträgers. Abgrenzung von medizinischer und sozialer Rehabilitation nach Leistungszweck. Voraussetzungen einer Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Neben dem aus § 14 SGB 9 als erstangegangenen - formellen - Kostenträger kann auch der aus materiellem Recht verpflichtete Kostenträger zuständiger Träger sein und verklagt werden.

2. Zu den Voraussetzungen Petö-Therapie als sozialer Rehabilitation.

3. Dient eine Petö-Therapie im Einzelfall auch der Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, steht dabei aber der medizinische Leistungszweck eindeutig im Vordergrund, so ist sie allein der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen.

 

Normenkette

SGB IX § 15 Abs. 1 S. 4, § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, § 31 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nrn. 1-3, 7; SGB XII § 3 Abs. 1, § 54 Abs. 1 S. 2; SGG § 114 Abs. 2 S. 1; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 13. April 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), für eine Konduktive Förderung nach Petö (Petö-Therapie).

Die Klägerin ist am … 2001 geboren. Sie leidet laut einer Stellungnahme des Fachbereichs Gesundheit der Beklagten vom 24. Januar 2007 an einer zerebralen Myelinisierungsstörung, Kleinhirnatrophie, progredienter Spastik, globalem Entwicklungsrückstand und Hüftgelenksdysplasie beidseitig. Unter Vorlage eines Kostenvoranschlages für eine Petö-Therapie für die Zeit vom 9. Oktober bis zum 10. November 2006 des Vereins “S... für S... e. V.„ vom 28. Juli 2006 beantragten die Eltern der Klägerin zunächst bei der Beigeladenen die Kostenübernahme. Diese lehnte die Kostenübernahme am 3. August 2006 mündlich ab und versah den Kostenvoranschlag mit einem entsprechenden Stempel. Am 6. Februar 2007 fertigte die Beigeladene darüber einen schriftlichen Ablehnungsbescheid.

Bereits mit Schreiben vom 20. August 2006 hatten die Eltern der Klägerin am 22. August 2006 bei der Beklagten unter Hinweis darauf, dass die Krankenkasse die Kostenübernahme abgelehnt habe, beantragt, nunmehr die Kosten für eine Konduktive Förderung nach Petö für den Zeitraum vom 9. Oktober bis zum 10. November 2006 zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 30. August 2006 hatte die Beklagte diesen Antrag abgelehnt mit der Begründung, bei der Petö-Therapie handele es sich um eine medizinische Rehabilitation. Solange diese nicht im Heilmittelkatalog der Krankenkassen aufgenommen sei, könnten die Therapiekosten nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen werden. Dagegen hatten die Eltern der Klägerin mit Schreiben vom 25. am 26. September 2006 Widerspruch eingelegt. In Stellungnahmen des Fachbereichs Gesundheit der Beklagten vom 24. Januar 2007 und 29. Juni 2007 hatte Frau Dr. T... ausgeführt, dass es sich bei der Petö-Therapie um eine medizinisch-therapeutische Leistung mit nachgewiesener Wirksamkeit handele, die als medizinische Leistung allerdings nicht der Eingliederungshilfe unterfalle, sondern von der Krankenkasse übernommen werden müsste. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2007 zurück. Dieser wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 29. August 2007 zugestellt.

Die Klägerin hat am 28. September 2007 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und vorgetragen, bei Petö handele es sich nicht schwerpunktmäßig um eine medizinische Rehabilitation, sondern es sei eine ganzheitliche Methode, die pädagogische, logopädische, ergotherapeutische und physiotherapeutische Anteile kombiniere. Sie sei eine pädagogisch geprägte Methode zur Förderung von Kindern mit überwiegend motorischen Störungen und Behinderungen. Primäres Ziel sei die Eingliederung in die Gesellschaft, wobei Sprachentwicklung und Kommunikation sowie Selbstständigkeit und Teilhabemöglichkeiten gefördert würden. Neben den motorischen Fähigkeiten würden auch das soziale Verhalten und die Sauberkeitserziehung gefördert. Durch die zwischenzeitlich erfolgte Therapie seien auch schon gewisse Erfolge erzielt worden. Außerdem hat die Klägerin darauf verwiesen, dass ihr behandelnder Arzt Dr. K..., Facharzt für Orthopädie, die Petö-Therapie empfohlen und einen gewissen Fortschritt durch diese Therapie bestätigt habe. Hierzu hat sie Berichte von Dr. K... vom 16. November 2006, 13. Februar und 13. Juni 2007, 18. Februar sowie 21. Juli 2008, vom 27. Oktober 2009 und 7. September 2010 vorgelegt. Dieser sieht eine Verbesserung auf orthopädischem Fachgebiet und empfiehlt, die Petö-Therapie fortz...

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