Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Petö-Therapie. Abgrenzung zur medizinischen Rehabilitation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Petö-Therapie kommt grundsätzlich als Leistung der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff SGB XII in Betracht (vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R = SozR 4-3500 § 54 Nr 6).

2. Zur Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kommt es entscheidend darauf an, welches konkrete Ziel mit der Leistung in erster Linie verfolgt wird, dh welcher Leistungszweck im Vordergrund steht (vgl BSG vom 31.3.1998 - B 1 KR 12/96 R = FEVS 49, 184 und vom 3.9.2003 - B 1 KR 34/01 R = SozR 4-2500 § 18 Nr 1 sowie BVerwG vom 18.10.2012 - 5 C 15/11 = BVerwGE 144, 364).

3. Eine Leistung ist nicht automatisch auch eine Leistung der sozialen Rehabilitation, wenn sie sich auch positiv auf den Schulbesuch und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auswirkt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.08.2018; Aktenzeichen B 8 SO 5/17 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 30. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu

erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Petö-Therapie (drei Blöcke) im Jahre 2009 in Höhe von 6.262,80 Euro.

Der 1994 geborene Kläger leidet nach Frühgeburt an einer Tetraparese, einer Visusstörung und einer Sprachstörung. Im Jahre 2009 besuchte er die L.-N….-Schule, Förderzentrum für körperliche und motorische Entwicklung im Bildungszentrum M... Der Beklagte gewährte dem Kläger eine Schulbegleitung für 26 bzw. 27,5 Stunden in der Woche. Der Kläger bezog seinerzeit Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (Pflegegeld) nach der Pflegestufe III. Ihm wurden ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B, G, RF, aG und H durch das Landesamt für soziale Dienste zuerkannt.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2008 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für eine Petö-Therapie in der Zeit vom 15. September bis 10. Oktober 2008 bei der Beigeladenen. Mit Bescheid vom 1. Juli 2008 lehnte die Beigeladene den Antrag ab. Nach den Heilmittel-Richtlinien (HMR) gehöre die Konduktive Förderung nach Petö zu den ausgeschlossenen Heilmitteln. Sie könne daher nicht von ihr erbracht bzw. abgerechnet werden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 20. November 2008 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Kosten für drei Blöcke einer Petö-Therapie im Jahre 2009 (30. März bis 24. April, 27. Juli bis 21. August, 5. bis 30. Oktober) einschließlich Fahrt- und Übernachtungskosten. Die regelmäßige Teilnahme an der Petö-Therapie habe ihm - dem Kläger - ein Leben ohne Schmerzen und weitere körperliche Einschränkungen ermöglicht. Dies habe sich besonders in seiner schulischen Entwicklung bemerkbar gemacht. Die Therapie gebe ihm Anleitungen an die Hand, sein Leben selber aktiver zu gestalten und solle im Zentrum für Konduktive Therapie in O… stattfinden. Die Kosten für die drei Therapieblöcke würden sich auf insgesamt 6.559,80 Euro belaufen.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der therapeutische Nutzen der Petö-Therapie sei bislang nicht wissenschaftlich nachgewiesen und belegt worden. Es handele sich somit nicht um ein anerkanntes Heilmittel. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Rahmen der Eingliederungshilfe entsprächen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dies bedeute, dass eine Leistung nicht bewilligt werden könne, wenn sie im Leistungskatalog der GKV nicht aufgeführt bzw. wie die Petö-Therapie ausdrücklich von der Verordnung ausgeschlossen sei.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 26. Januar 2009 Widerspruch erhoben. Die Petö-Therapie helfe ihm, den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zumindest zu erleichtern. Durch die Therapie schaffe er es, dank seiner sehr guten kognitiven Fähigkeiten, Neues zu erlernen und umzusetzen. Aufgrund der familiären Situation komme eine Kostentragung auf eigene Kosten nicht in Betracht.

Mit Bescheid vom 7. April 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen.

Der Kläger hat am 6. Mai 2009 Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen vertieft hat. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. September 2009 (Az. B 8 SO 19/08 R) bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Übernahme der Kosten. Es handele sich um Hilfen zur angemessenen Schulbildung. Ohne die Durchführung der Petö-Therapie hätten ihm nicht wiedergutzumachende Rückschritte gedroht. Er wäre nicht in der Lage gewesen, zunächst eine offene Ganztagsschule, sodann die Realschule und im Anschluss die höhere Handelsschule zu besuchen. Aufgrund seiner spastischen Lähmungen sei eine Verbesserung der Körperhaltung für den Schulbesuch unumgänglich gewesen.

Das Urteil des 9....

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