Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der Schwerbehinderteneigenschaft bei wesentlicher Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen

 

Orientierungssatz

1. Ist in den im Schwerbehindertenrecht festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen eine wesentliche Änderung eingetreten, so ist der ergangene Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 SGB 10 mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Als wesentliche Änderung gilt eine solche des Gesamtgrades der Behinderung von wenigstens 10.

2. Betrug der Gesamt-GdB im Ausgangsbescheid 50 und sind die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund des Eintritts einer wesentlichen Änderung danach insgesamt nur noch mit einem GdB von 40 zu bewerten, so ist der die Schwerbehinderteneigenschaft bestätigende Verwaltungsakt aufzuheben.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.04.2020; Aktenzeichen B 9 SB 9/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 22. September 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die am ... 1969 geborene Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung ihres Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 30 bzw. 40.

Mit Bescheid vom 4. August 2008 hatte der Kreis D... als damals örtlich zuständiger Träger der Klägerin einen GdB von 50 ab 23. September 2005 zuerkannt. Der Bescheid ging dabei in Ausführung eines Anerkenntnisses welches der Kreis D... am 7. Juli 2008 in mündlicher Verhandlung vor dem Sozialgericht A... im damaligen Verfahren S ... SB .../06 auf Anregung des Gerichts abgegeben hat. Grundlage der richterlichen Anregung war dabei die von dem Sozialgericht A... durchgeführte sozialmedizinische Sachverhaltsaufklärung.

Dieses hatte ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten der Sachverständigen Dr. K..._ vom 5. März 2008 eingeholt, in dem diese Sachverständige insgesamt einen GdB von 50 vorgeschlagen hatte. Dabei hatte sie eine seelische Beeinträchtigung mit stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit bei mittelgradiger ausgeprägte depressiver Störung und Ausprägung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 40 diagnostiziert, sowie Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mit leichten bis mittelgradigen funktionellen Auswirkungen mit Schwerpunkt der HWS und LWS mit Nachweis von Bandscheibenprotusion L4/L5 ohne Hinweis auf Nervenwurzelkompression, ohne sensormotorische Ausfälle mit einem Einzel-GdB von 30. Neben einer mit einem Einzel-GdB von 20 bewerteten Funktionseinschränkung der Verdauungsorgane hat die Sachverständige noch weitere leichtgradige Behinderungen mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet.

Bereits zuvor hatte das Sozialgericht A... ein orthopädisches Fachgutachten vom 5. September 2007 von dem Sachverständigen Dr. M... eingeholt. Dieser hatte auf seinem Fachgebiet für die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule ebenfalls einen Einzel-GdB von 30 angenommen und ausgeführt, es handele sich um mittelgradiger bis leichte funktionelle Auswirkungen in 3 Wirbelsäulenabschnitten, vordergründig die HWS betreffend.

2011 leitete der durch Umzug der Klägerin zwischenzeitlich örtlich zuständig gewordene Beklagte das Nachprüfungsverfahren von Amts wegen ein und zog einen Rehabilitations-Entlassungsbericht aus der ......klinik S... über den dortigen Aufenthalt der Klägerin vom 4. Januar bis 8. Februar 2012 bei. Dort wurde eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig limitiert, ein HWS- und LWS- Syndrom sowie eine unter Medikation stabile asthmatische Erkrankung der Klägerin diagnostiziert.

Nach Anhörung der Klägerin hob der Beklagte den Bescheid vom 4. August 2008 mit Bescheid vom 29. Januar 2013 gestützt auf § 48 Sozialgesetzbuch, 10. Buch Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) teilweise auf und bewertete die Behinderungen der Klägerin nur noch mit einem GdB von 30. Dieser Bewertung lag verwaltungsintern die Bewertung sowohl der seelischen Störung als auch der Funktionsstörungen der Wirbelsäule mit Einzel-GdB von jeweils 20 zugrunde.

Der dagegen von der Klägerin am 5. Februar 2013 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2013 zurückgewiesen.

Mit der am 6. August 2013 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.

Sie hat vorgetragen, weder die Wirbelsäulenerkrankung noch die seelischen Beschwerden hätten sich gebessert, so dass der Beklagte zu niedrige Einzel-GdB angenommen habe. Vielmehr seien die 2008 angenommenen Einzel-GdB nach wie vor gerechtfertigt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 29. Januar 2013 Erfassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2013 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zunächst an seiner Bewertung festgehalten und sodann unter dem Eindruck der von dem Sozialgericht vorgenommenen sozialmedizinische Sachverhaltsaufklärung angeboten, den GdB auch über den Zeitpunkt des Herabsetzungsbescheides hinaus mit...

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