Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als gleichzeitige Klagerhebung. Sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. In dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 SGG kann gleichzeitig eine Klage gesehen werden, sofern der Antrag in entsprechender Anwendung des § 133 BGB einer diesbezüglichen Auslegung zugänglich ist.

2. Bei der Auslegung des Begehrens ist Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten, der auch die Effektivität des Rechtsschutzes garantiert und verbietet, den Zugang zum Gericht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Der daraus abgeleitete Grundsatz der Meistbegünstigung gebietet eine sinnvolle Auslegung des vom Antragsteller Gewollten.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 31. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 1966 geborene Antragsteller schloss 1985 erfolgreich eine Lehre zum Elektroinstallateur ab, erwarb anschließend drei Elektronikpässe bei der Handwerkskammer Lübeck und absolvierte eine Anpassungsmaßnahme zum Feingeräteelektroniker in der Gewerbeschule L., letzteres auf Kosten seines damaligen Arbeitgebers, der D. in L.. Bis ca. 1988 arbeitete er bei den D.n als Elektroniker, erfuhr dort eine Weiterbildung zum Medizintechniker und arbeitete als solcher bis 1991. 1992 wurde der Antragsteller wegen terminaler Niereninsuffizienz dialysepflichtig; im August 2000 erfolgte eine Nierentransplantation mit - nach anfänglichen Komplikationen - zufriedenstellendem Ergebnis. Ab 1992 war der Antragsteller überwiegend arbeitslos. Nach eigenen Angaben hat er in dieser Zeit seine bereits fundierten beruflichen Kenntnisse im Umgang mit Computern autodidaktisch weiter entwickelt. Gegenüber der Antragsgegnerin gab er an, von 1999 bis 2001 zunächst als Internetprogrammierer bei der Firma H. Computer und später als Programmierer unter dem Betriebssystem Windows in der Firma P. IT in K… gearbeitet zu haben. Seitdem ist der Antragsteller wieder arbeitslos.

Am 21. Juni 2008 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dabei gab er an, dass sein Antrag auf eine weitere Qualifizierung im Bereich der Programmierung abziele, verbunden mit der Erlangung von Zertifikaten. Speziell strebe er die Erlangung von Zertifizierungen bei Microsoft an. Er - der Antragsteller - verfüge über umfangreiche Kenntnisse im Programmieren, für sein berufliches Weiterkommen fehlten ihm jedoch die Nachweise und Qualifizierungen, die heutzutage von den Arbeitgebern gefordert würden. Er sei schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und dem Merkzeichen “G„. Er könne nur im Sitzen arbeiten. Eine Weiterbildung und Qualifizierung im Bereich der Programmierung würde mit seinem Leistungsvermögen übereinstimmen und seinen Neigungen entgegenkommen.

Die Antragsgegnerin zog diverse medizinische Unterlagen von den den Antragsteller behandelnden Ärzten bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien nicht erfüllt. Die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, da er in der Lage sei, eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin auszuüben. Für die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei die Agentur für Arbeit zuständig.

Auf den hiergegen von dem Antragsteller am 11. November 2008 eingelegten Widerspruch ließ die Antragsgegnerin den Antragsteller gutachterlich untersuchen (Gutachten des Arztes für Innere Medizin und Nephrologie Dr. H. vom 7. April 2009).

Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2009 zurück und führte zur Begründung aus, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu Lasten des Rentenversicherungsträgers seien nicht erforderlich. Der Antragsteller könne Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ebenso wie seine letzte Tätigkeit als Programmierer ohne erhebliche Gefährdung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ausüben. Das Leistungsvermögen des Antragstellers sei nach dem Gutachten des Dr. H. quantitativ nicht eingeschränkt. Zu vermeiden seien schwere körperliche Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungs- und Infektionsgefahr, was einer Tätigkeit als Programmierer nicht entgegenstehe. Ein medizinischer Befund, der die Durchführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben rechtfertige, habe nicht erhoben werden können. Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung seien nicht aus behinderungsbedingten Gründen erforderlich. Für die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei die Zuständig...

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