Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer besonderer Bedarf. Ausstattung mit einem digitalen Endgerät zur Teilnahme am pandemiebedingten Distanzunterricht. Zurverfügungstellung eines Leihgeräts durch die Schule. mehrere schulpflichtige Kinder im Haushalt. einmaliger Bedarf. Zumutbarkeit der Inanspruchnahme eines Darlehens

 

Orientierungssatz

1. Die Anschaffung von internetfähigen digitalen Endgeräten zur Teilnahme am pandemiebedingten Schulunterricht im häuslichen Umfeld stellt grundsätzlich einen potentiellen unabweisbaren Bedarf im Sinne von § 21 Abs 6 SGB 2 dar (vgl LSG Essen vom 22.5.2020 - L 7 AS 719/20 B ER ua = ZFSH/SGB 2020, 409 und LSG Erfurt vom 8.1.2021 - L 9 AS 862/20 B ER).

2. Grundsätzlich muss in der pandemiebedingten Sondersituation die parallele Teilnahme mehrerer schulpflichtiger Kinder am digitalen Distanzunterricht an digitalen Endgeräten möglich sein.

3. Die Inanspruchnahme eines Darlehens ist nicht zumutbar iS des § 21 Abs 6 S 1 Halbs 2 SGB 2, wenn das digitale Endgerät Voraussetzung für die Teilnahme am Schulunterricht schlechthin ist.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 12. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner erstattet den Antragstellerinnen die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten.

 

Gründe

Die minderjährigen Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstattung mit digitalen Endgeräten zur Teilnahme am schulischen Distanzunterricht.

Die Antragstellerinnen beziehen laufend gemeinsam mit ihrer allein erziehenden Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) von dem Antragsgegner. Die Antragstellerinnen zu 1.) und zu 3.) sind Zwillinge und besuchen unterschiedliche Klassen des 4. Jahrgangs der Grundschule B...schule in L.... Die Antragstellerin zu 2.) ist 16 Jahre alt, befindet sich im letzten Schuljahr und in der Bewerbungsphase.

Einen von der Mutter der Antragstellerin gestellten Antrag auf Ausstattung mit einem Laptop und einem Drucker vom 14. Januar 2021 lehnte der Antragsgegner unter Hinweis auf die Darlehensregelung gemäß § 24 Abs. 1 SGB II ab und führte aus, die beantragte Sonderleistung sei durch den gewählten Regelbedarf abgedeckt und stelle keinen unabweisbaren Bedarf dar.

Am 20. Januar 2021 haben die Antragstellerinnen vertreten durch ihre Mutter einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Sozialgericht Lübeck gestellt.

Zur Begründung haben sie vorgetragen, sie begehrten einen Zuschuss für einen Laptop und einen Drucker für drei zu beschulende Kinder. Sie hätten einen eigenen Laptop besessen, der anfangs auch benutzt worden sei, dieser sei aber kaputtgegangen. Daher könnten alle drei Kinder am digitalen Schulunterricht nicht teilnehmen. Sie befürchteten auch Bildungsdefizite, da bei den jüngeren Kindern der Übergang von der 4. in die 5. Klasse bevorstehe. Sie könnten die Anschaffungsbeträge für diese Geräte nicht aufbringen. Zwar habe der Schulleiter der Grundschule ihnen ein Leihgerät angeboten, dieses müsse aber mit Beginn des normalen Schulunterrichts wieder abgegeben werden. Damit höre die Digitalisierung aber nicht auf. Auch im normalen Schulunterricht seien an digitalen Endgeräten Recherchen für den Schulunterricht durchzuführen, zum Beispiel für Referate. Zwar könnten die Kinder die Notbetreuung besuchen, dieses komme für sie aus Gründen des Infektionsschutzes aber nur im Notfall in Betracht. Die Mutter der Antragstellerinnen hat betont, dass sie zwei Kinder in unterschiedlichen Klassen mit unterschiedlichen Schulstoff habe und des Weiteren eine 16 Jahre alte Tochter die Bewerbungen und alles schreiben und ausdrucken müsse.

Die Vertreterin der Antragstellerinnen hat sinngemäß beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihren drei schulpflichtigen Kindern einen Zuschuss für die Anschaffung eines Laptops und eines Druckers zu bewilligen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat ausgeführt, es bestehe kein unabweisbarer Bedarf für einen Laptop, da die Schulen in L... den Schülern bei einem entsprechenden Bedarf ein entsprechendes Gerät leihweise zur Verfügung stellen würden. Wenn dem nicht so sei, sei dies durch die Schule zu bescheinigen. Gleiches gelte für den Drucker, diese Geräte würden zwar nicht von den Schulen zur Verfügung gestellt aber auch insoweit sei der unabweisbaren Bedarf und die Erforderlichkeit durch die Schule zu bescheinigen. Ein Zuschuss gemäß § 21 Abs. 6 SGB II käme nicht in Betracht, da die begehrten Geräte bereits im Regelbedarf enthalten seien.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Schulleiters der B...schule L... eingeholt, in der dieser angegeben hat, dass er der Mutter der Antragstellerinne ein iPad der Stadt als Leihgerät angeboten hat.

Mit Beschluss vom 12. Februar 2021 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweilige...

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