Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeld. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an einem pandemiebedingten Schulunterricht im heimischen Umfeld. Unabweisbarkeit. Spenden

 

Orientierungssatz

1. Die Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an einem pandemiebedingten Schulunterricht im heimischen Umfeld stellen grundsätzlich einen nach § 21 Abs 6 SGB 2 anzuerkennenden Mehrbedarf dar.

2. Kommen Dritte, zB ein schulischer Förderverein oder private oder öffentliche Spender, für den Bedarf auf, fehlt es am Merkmal der Unabweisbarkeit (vgl LSG Essen vom 10.1.2019 - L 7 AS 783/15 = ZFSH/SGB 2019, 519).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.03.2020 geändert.

Der Antragstellerin zu 2) wird für das einstweilige Rechtsschutzverfahren bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt D, N, bewilligt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat ½ der Kosten der Antragstellerin zu 2) in beiden Rechtszügen erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Kostenübernahme für einen internetfähigen Computer nebst Zubehör.

Die 2005 geborene Antragstellerin zu 2) ist die Tochter der alleinerziehenden Antragstellerin zu 1). Die Antragstellerinnen leben mit zwei weiteren Kindern der Antragstellerin zu 1) in einer Mietwohnung in N. Die Bedarfsgemeinschaft bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anrechnung von Kindergeld und UVG-Leistungen. Mit Änderungsbescheid vom 05.12.2019 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen Leistungen für Dezember 2019 bis April 2020. Die Antragstellerin zu 2) besucht die Schulklasse 8a des X Gymnasiums, N. Im Februar 2020 erhielt die Antragstellerin zu 2) 50 EUR für Schulmittel als Bestandteil des Bildungs- und Teilhabepakets von der Antragsgegnerin. Auch die beiden Brüder der Antragstellerin erhielten in diesem Monat jeweils 50 EUR Bildungs- und Teilhabeleistungen.

Am 24.01.2020 beantragte die Antragstellerin zu 1) für die Antragstellerin zu 2) einen internetfähigen Computer nebst Zubehör (Monitor, Tastatur, Maus, Kabel, Tintenstrahldrucker). Sie legten eine Bestätigung der Schulleiterin des X Gymnasiums vom 03.02.2020 vor, wonach die Antragstellerin zu 2) für Hausaufgaben einen privaten PC benötige.

Mit Bescheid vom 05.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Ein Anspruch aus § 21 Abs. 6 SGB II scheitere daran, dass kein laufender, sondern ein einmaliger Bedarf bestehe, der nicht atypisch sei, sondern der der durchschnittlichen Lebenssituation entspreche. Der geltend gemachte Bedarf sei durch Ansparungen zu decken. Innerhalb der Abteilung 9 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe EVS (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) finde sich die Rubrik Datenverarbeitungsgeräte und Software, weshalb die Anschaffung eines PCs aus dem Regelbedarf zu finanzieren sei. Da die Antragstellerinnen ein Darlehen abgelehnt haben, komme eine Leistungsgewährung nach § 24 Abs. 1 SGB II nicht in Betracht. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 16 SGB II schieden bei der nicht erwerbsfähigen Antragstellerin zu 2) aus. Ein Computer könne auch nicht dem Bildungs- und Teilhabepaket nach § 28 SGB II zugeordnet werden.

Hiergegen haben die Antragstellerinnen bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen am 20.02.2020 Klage erhoben (S 33 AS 427/20) und am 17.03.2020 beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Leistungserbringung zu verpflichten und Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Aufgrund des pandemiebedingten Ausfalls des Präsenzunterrichts sei die Antragstellerin zu 2) auf einen internetfähigen PC nebst Zubehörausstattung angewiesen. Den Schülern würden Hausaufgaben digital zur Verfügung gestellt, die sie digital bearbeiten und zurücksenden müssten. Die Antragstellerinnen haben zum Beleg ausgedruckte E-Mails verschiedener Lehrer vorgelegt, mit denen der Antragstellerin zu 2) elektronisch Hausaufgaben übermittelt wurden.

Mit Beschluss vom 30.03.2020 hat das Sozialgericht den Antrag und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht ersichtlich. Augenscheinlich besitze die Antragstellerin zu 1) ein internetfähiges mobiles Endgerät, mit dem sie die Aufgaben der Schule abrufen könne, da sie im Verwaltungsverfahren eine E-Mail unter Angabe ihrer E-Mail Adresse an die Antragsgegnerin gesendet habe. Es sei nicht ersichtlich, dass dieses Gerät nicht für die Verteilung der Unterrichtsmaterialien genutzt werden kann.

Gegen den ihnen am 31.03.2020 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 30.04.2020 Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin zu 1) verfüge nur über ein internetfähiges Smartphone. Die im Verwaltungsverfahren übersandten E-Mails habe die Antragstellerin zu 1) v...

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