Rz. 37

Dem Grunde nach ist die Haushaltshilfe eine Dienst- bzw. Naturalleistung. Sie ist, von dringenden Fällen abgesehen (BSG, Urteil v. 24.9.2002, B 3 KR 2/02 R), vor ihrer Inanspruchnahme beim Rehabilitationsträger zu beantragen; denn dem Rehabilitanden steht ein Anspruch auf Kostenerstattung nur zu, wenn er erklärt, die Haushaltshilfe nicht als Naturalleistung (= z. B. Vertrags-Ersatzkraft des Rehabilitationsträgers) in Anspruch nehmen zu wollen (vgl. BSG, Urteile v. 26.3.1980, 3 RK 62/79, v. 28.2.1996, 3 RK 40/94, und v. 25.9.2000, B 1 KR 5/99 R; ferner: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.2.2020, L 5 KR 2908/19).

Ein Antrag ist jede an den Rehabilitationsträger gerichtete Willenserklärung, aus der sich ein Leistungsverlangen ergibt (BSG, Urteil v. 30.10.2014, B 5 R 8/14 R, Rz. 32). Ein Antrag i. d. S. kann formlos, daher insbesondere auch mündlich oder durch sonstiges (konkludentes) Handeln gestellt werden. Die telefonische Bitte um Übersendung des Formulars zur Beantragung einer Haushaltshilfekraft ist vor diesem Hintergrund allerdings noch nicht als Antrag zu bewerten (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.2.2020, a. a. O.).

Die Verpflichtung zur vorherigen Beantragung der Haushaltshilfe besteht auch dann, wenn der Rehabilitationsträger keine Haushaltshilfe (z. B. als Vertragskraft) zur Verfügung stellt (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 1.3.2011, L 11 KR 1694/10). Dem Grunde nach ist es deshalb auch in diesem Fall unbedingt notwendig, dass der Rehabilitand vor Beginn der Haushaltshilfe mit dem Rehabilitationsträger Kontakt aufnimmt und abstimmt, ob er die Haushaltshilfekraft als Naturalleistung oder im Rahmen des Systems der angemessenen Kostenerstattung wählt.

Eine Ausnahme bildet lediglich der Anspruch auf Kostenerstattung für den Zeitraum zwischen dem plötzlichen Eintreten der Notwendigkeit für eine Haushaltshilfe bis zur frühestmöglichen Stellung einer Haushaltshilfe-Ersatzkraft (vgl. BSG, Urteil v. 23.11.1995, 1 RK 11/95). Dieses wird aber bei Rehabilitationsleistungen bzw. Teilhabeleistungen die Ausnahme sein, weil – anders wie beim Eintreten einer Krankheit – eine gewisse Planungszeit verbleibt.

 
Praxis-Beispiel

Im Haushalt leben 2 Kinder im Alter von 5 und 3 Jahren. Die alleinerziehende Rehabilitandin erhält am Abend des 3.4. vom Rehabilitationsträger kurzfristig eine Mitteilung, dass ein Rehabilitationsplatz (medizinische Rehabilitationsleistung) frei geworden ist und dass sie am 4.4. zur Rehabilitationseinrichtung reisen soll. Die Rehabilitandin, die bislang allein den Haushalt führte, fährt daraufhin am frühen Morgen des 4.4. zur Rehabilitationseinrichtung und kann erst am 4.4. gegen Mittag Kontakt mit dem Rehabilitationsträger wegen der Haushaltshilfe-Ersatzkraft aufnehmen. Sie teilt ihm mit, dass sie keine Person ihres Vertrauens kennt, die bereit wäre, als Ersatzkraft den Haushalt weiterzuführen. Die Nachbarin hätte sich allerdings kurzfristig bereit erklärt, die Kinder so lange im Haushalt zu versorgen, bis eine professionelle Ersatzkraft die weitere Arbeit übernimmt. Daraufhin kann ihr der Rehabilitationsträger für die Weiterführung des Haushalts eine professionelle Haushaltskraft (Haushälterin von einer Wohlfahrtsorganisation) ab 5.4. stellen. Die Kinder werden am 4.4. von der Nachbarin versorgt.

Lösung:

Da dem Rehabilitationsträger die Stellung einer (Vertrags-)Ersatzkraft erst ab 5.4. möglich war, wandelt sich der Naturalleistungsanspruch für den 4.4. in einen Kostenerstattungsanspruch um; die Rehabilitandin erhält für den 4.4. die Vergütung aus Anlass der Haushaltsführung durch die Nachbarin in angemessener Höhe erstattet.

Der Rehabilitand sollte den Antrag auf Haushaltshilfe stellen, sobald die Rehabilitations- bzw. Teilhabeleistung bewilligt wird. Denn dann bleibt i. d. R. ausreichend Zeit, damit der Rehabilitationsträger den Anspruch auf Haushaltshilfe prüfen und ggf. den Einsatz einer geeigneten Ersatzkraft organisieren kann.

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