Rz. 2

§ 67 ist im Zuge der schnell zunehmenden Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19) mit spürbaren Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung wieder mit Gesetzestext belegt worden. Ausgangsüberlegung des Gesetzgebers der 19. Legislaturperiode war, dass für einzelne Branchen die Maßnahmen zur Vermeidung des COVID-19 in Teilen zum erheblichen bis vollständigen Ausfall des Geschäftsbetriebs inklusive kurzfristigen Wegfalls sämtlicher bestehender Aufträge führen. Gründe dafür sind zum Beispiel die Absage von Messen, Veranstaltungen oder die Einstellung der Leistungen sozialer Dienste sowie der generellen Vermeidung sämtlicher nicht notwendiger Sozialkontakte auch durch und innerhalb von Unternehmen und damit verbundener Folgen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen können demnach dazu führen, dass Menschen vorübergehend erhebliche Einkommenseinbußen erfahren. Dies kann alle erwerbstätigen Personen betreffen, ist aber nach Einschätzung des Gesetzgebers insbesondere für Kleinunternehmer und sog. Solo-Selbständige risikobehaftet. Dies hat sich im Verlauf des Kalenderjahres 2020 immer mehr bestätigt. Dieser Personenkreis verfügt in aller Regel über begrenzte finanzielle Rücklagen und hat auch keinen Zugang zu anderen Absicherungen wie Arbeitslosen-, Kurzarbeiter-, oder Insolvenzgeld. Infolgedessen kann kurzfristig eine existenzbedrohende Situation eintreten. Deshalb ist dieser Personenkreis auch besonders von den verstärkten Maßnahmen im Herbst 2020 betroffen worden. Erhebliche Einkommenseinbußen können aber u. a. auch ältere und zeitlich befristet oder dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen treffen. Dies gilt insbesondere im Falle einer gemischten Bedarfsgemeinschaft, wenn das Einkommen beim Hauptverdienenden wegfällt (vgl. BT-Drs. 19/18107). Zumindest im Grundsatz gilt diese Beschreibung auch noch in der 20. Legislaturperiode im Frühjahr 2022. Dem soll u. a. durch erhebliche Rechts- und Verwaltungsvereinfachung begegnet werden.

 

Rz. 3

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (bzw. die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII) sichert den Lebensunterhalt, wenn keine vorrangigen Hilfen zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen aufgrund COVID-19 greifen. Diese Leistungen sollen – bezogen auf das SGB II mit § 67 – schnell und unbürokratisch zugänglich gemacht oder auch fortgesetzt werden, um die Betroffenen zeitnah unterstützen zu können bzw. den Jobcentern Arbeitsräume für die Bewilligung der Neufälle zu verschaffen. Es soll niemand aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise in existenzielle Not geraten. Ergänzend wurde dazu auch der Zugang zum Kinderzuschlag vereinfacht. Die Regelungen des § 67 gelten ungeachtet ergänzender Hilfen für Leistungsberechtigte durch Sonderzahlungen oder auch laufende Unterstützungsleistungen für Kinder bis zur Realisierung der Kindergrundsicherung.

 

Rz. 3a

Hauptziele der Regelungen und der sie verlängernden Verordnungen gehören zu den Nachhaltigkeitsaspekten: Sie unterstützen die Strategie der Bundesregierung einerseits mit dem Ziel der Vermeidung von Armut von Menschen, die pandemiebedingt erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen und andererseits mit dem Ziel der Förderung des nachhaltigen Wirtschaftens, indem leistungsberechtigte Personen in die Lage versetzt werden, ihre selbständige Tätigkeit beizubehalten und sie nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen wiederaufzunehmen oder vollständig weiterzuführen.

 

Rz. 4

Die Regelungen sind unmittelbar vor der Einbringung in das Bundeskabinett nochmals geändert und erweitert worden. Diese Kommentierung berücksichtigt die Entwicklungen und die Verlängerung der Regelungen.

Der Gesetzgeber ist seinerzeit davon ausgegangen, dass unter Berücksichtigung der Branchen- und Einkommensstruktur bis zu 700.000 der 1,9 Mio. Solo-Selbständigen und bis zu 300.000 der 1,6 Mio. Selbständigen mit Angestellten für eine Antragstellung infrage kommen. Zusammen mit weiteren Anspruchsberechtigten wäre eine maximale Größenordnung von 1,2 Mio. zugehenden Bedarfsgemeinschaften infolge der Corona-Krise und dieser Regelung möglich. Bei 6 Monaten Leistungsbezug entspräche dies maximalen Mehrausgaben von rund 9,6 Mrd. EUR. Davon entfallen 7,5 Mrd. EUR auf den Bund und 2,1 Mrd. EUR auf die Kommunen. Kurz vor Ablauf des im Gesetz festgelegten ersten Zeitraumes für den vereinfachten Zugang kann festgestellt werden, dass sich die befürchteten Auswirkungen bei den Jobcentern nicht eingestellt haben. Das mag allerdings auch damit zusammenhängen, dass Leistungen der Arbeitsförderung verbessert wurden (längeres und höheres Kurzarbeitergeld, vgl. § 421c SGB III, sowie verlängertes Arbeitslosengeld, vgl. § 421d SGB III). Seit Februar 2020 ist die Zahl der Leistungsberechtigten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie deutlich angestiegen. Im Juli 2020 waren mit rund 3.030.0...

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