Rz. 87

Der Bedarf für die Unterkunft umfasst zunächst denjenigen für die Unterkunft selbst, also den Mietzins oder vergleichbare Aufwendungen aus einem oder für ein Mietverhältnis oder die Aufwendungen für eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim, sowie die sog. kalten Betriebskosten. Zu grundlegenden Überlegungen vgl. auch Rz. 170 ff. Ratenzahlungsverpflichtungen aufgrund einer Vereinbarung, die nach einem gekündigten Immobiliendarlehensvertrag mit dem Darlehensgeber geschlossen wurde, um die damals fällige Restschuld sowie fälligen Zinsen ratenweise zurückzuzahlen, sind nicht als Unterkunftsbedarf anzuerkennen (BSG, Urteil v. 12.12.2019, B 14 AS 26/18 R). In diesen späteren Monaten dienen die Zahlungen demnach nicht mehr der Erfüllung von laufenden Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag zum Erwerb von Wohneigentum, sondern der Tilgung von Schulden. Die Schulden stehen zwar in solchen Fällen in Zusammenhang mit dem Erwerb von Wohneigentum, es handelt sich aber gerade nicht um aktuell fällig werdende Verpflichtungen aus einem Darlehensvertrag zum Erwerb von Wohneigentum, sondern um eine Verpflichtung aus einer Vereinbarung zur Tilgung früher fällig gewordener (Alt-)Schulden. Für diese ist eine Differenzierung zwischen der Anerkennung von laufenden Zinsen als Bedarf und der i. d. R. nicht erfolgenden Anerkennung der Tilgungsleistung aufgrund der Gesamtschuld aus dem gekündigten Darlehensvertrag nicht möglich.

 

Rz. 88

Die Grundsicherungsstelle (Jobcenter nach § 6d) darf keine sog. Fremdvergleiche anstellen, also Unterkunftskosten nur dann als Bedarf anerkennen, wenn Verträge zwischen nahen Angehörigen nach Inhalt und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Ein Bedarf ist grundsicherungsrechtlich auch relevant, wenn er nicht die Höhe der Aufwendungen eines Nichthilfebedürftigen in vergleichbarer Situation erreicht. Auch niedrigere Aufwendungen bleiben tatsächlich existierender Bedarf (BSG, Urteil v. 3.3.2009, B 4 AS 37/08 R). Ob die Höhe oder die Vertragsgestaltung einem Fremdvergleich standhält, ist unerheblich.

 

Rz. 88a

Im Grundsatz gilt das Monatsprinzip, so wie die Aufwendungen anfallen. Jährliche Aufwendungen sind deshalb nicht in 12 Monatsbeträge aufzuteilen. Insbesondere ist eine Verrechnung unterschiedlicher Aufwände in verschiedenen Bewilligungszeiträumen nicht anzustellen (LSG Sachsen, Urteil v. 11.8.2016, L 3 BK 14/13 zum Kinderzuschlagsrecht).

2.2.4.1 Tatsächliche Aufwendungen aus einem Mietverhältnis

 

Rz. 89

Bei Mietverhältnissen ist dem Unterkunftsbedarf regelmäßig der Mietzins zugrunde zu legen, der der Zahlungsverpflichtung des Leistungsberechtigten entspricht. Als solcher gelten auch andere Aufwendungen, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird wie mit einer Mietzinszahlung, etwa Nutzungsentschädigungen oder Genossenschaftsbeiträge. Die Aufwendungen können aus dem Mietvertrag und anderen geeigneten Dokumenten (Zahlungsbelege u. a.) entnommen werden. Anhand der vertraglichen Verpflichtungen und der rechtlichen Bestimmungen ist jeweils zu beurteilen, ob bestimmte Bestandteile des Mietzinses dem Unterkunftsbedarf zuzurechnen sind oder nicht.

 

Rz. 89a

Ist mit dem vom Antragsteller vorgelegten Mietvertrag tatsächlich eine rechtlich bindende Zahlungspflicht eines Mieters nicht beabsichtigt, sondern wurde ein schriftlicher Mietvertrag beweisbar allein deshalb verfasst, um den Grundsicherungsträger zur Bewilligung höherer Leistungen für die Unterkunft zu veranlassen, ohne damit eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung begründen zu wollen, so sind vom Grundsicherungsträger Leistungen für die Unterkunft nicht zu erbringen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 20.9.2017, L 4 AS 138/12). Miteigentümer des Hauses hatten nach dem Tod der Mutter des "Mieters" nach Möglichkeiten gesucht, die Ertragslage des Anwesens zu verbessern, um notwendige Instandhaltungsarbeiten zu finanzieren.

 

Rz. 89b

Beruht die Unterbringung einer obdachlosen Person in einem Wohnheim auf einer behördlichen Zuweisungsverfügung, so besitzt diese nur Übergangscharakter bis zur Pflichterfüllung der betroffenen Person zur Beseitigung der Obdachlosigkeit. Bis dahin entstehen keine Unterkunftskosten, die nach Abs. 1 zu erbringen wären.

 

Rz. 89c

Die Vereinbarung einer geringfügigen Gefälligkeitsmiete steht der Übernahme geltend gemachter Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger nicht entgegen, wenn sich ein Bindungswille von Vermieter und Mieter bezüglich des Mietverhältnisses feststellen lässt. Dies gilt erst recht, wenn das regelmäßige Überweisen der Mietzahlungen nachgewiesen ist. Liegt die vereinbarte Miete deutlich unter dem Preis auf dem allgemeinen Markt, so ändert dies nichts an der Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers, wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags keine Gewinnerzielungsabsicht hat. Geht es ihm erkennbar in erster Linie darum, dass sein Haus während langfristiger Montagetätigkeiten im Ausland nicht leersteht, so ist der vereinbarte niedere Mietzins nachvollziehbar (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 20.9.2017, L 4 AS 236/17).

 

Rz. 89d

Die Nutzungsentschädigung, die...

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