Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertbarkeit eines Hausgrundstücks bei der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen. Tatsächliche Mietzahlungsverpflichtung als Voraussetzung einer Bewilligung von Leistungen der Unterkunft

 

Orientierungssatz

1. Nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB 2 ist bei beantragten Leistungen der Grundsicherung ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung als Vermögen nicht zu berücksichtigen. Es ist auf die gesamte Wohnfläche des Hauses abzustellen, auch wenn der Hilfesuchende nur einen Teil des Hauses bewohnt.

2. Nach den allgemeinen Verhältnissen auf dem Immobilienmarkt ist ein Eigentumsanteil von 3/8 praktisch nicht verwertbar. Damit steht Vermögen i. S. von § 12 SGB 2 einer Leistungsgewährung nicht entgegen.

3. Ist mit dem vom Antragsteller vorgelegten Mietvertrag tatsächlich eine rechtlich bindende Zahlungspflicht eines Mieters nicht beabsichtigt, sondern wurde ein schriftlicher Mietvertrag beweisbar allein deshalb verfasst, um den Grundsicherungsträger zur Bewilligung höherer Leistungen für die Unterkunft zu veranlassen, ohne damit eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung begründen zu wollen, so sind vom Grundsicherungsträger Leistungen für die Unterkunft nicht zu erbringen.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. März 2012 wird abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 9. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2009 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Monat August 2008 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 114,56 EUR zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat ein Zehntel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) begehrt die Bewilligung von weiteren Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Zeitraum von März bis September 2008 durch den Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter) im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Es geht ihm um die Berücksichtigung einer mietvertraglichen Vereinbarung.

Der 1949 geborene Kläger stellte im September 2004 den ersten SGB II-Leistungsantrag für sich, seine damalige zweite Ehefrau sowie seinen am ... 1990 geborenen Sohn Zeuge K. L., zu dem er entgegen den tatsächlichen Verhältnissen angab, dieser wohne mit im Haushalt. Der Kläger gab an, er beziehe Arbeitslosenhilfe und wohne in einer 60 m² großen Wohnung im Haus seiner Mutter C. L ... In dem 130 m² großen Haus befänden sich zwei Wohnungen. Er wohne mit seiner Familie mietfrei, zahle aber die Betriebskosten für das Haus. Nach den vorgelegten Belegen wurden die Nebenkosten vom Girokonto des Klägers und dem der Mutter abgebucht. Der Beklagte gewährte der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft des Klägers ab Januar 2005 Leistungen in einer anfänglichen Gesamthöhe von 1.121,85 EUR. Darin war für den Kläger ein Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 160 EUR sowie ein Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 25,56 EUR enthalten. Der praktische Arzt Dr. med. B. hatte unter dem 27. August 2004 die Notwendigkeit von Krankenkost in Form der Vollkost wegen Colitis ulcerosa bescheinigt. In den Folgezeiträumen berücksichtigte der Beklagte durchgängig Mehrbedarfsleistungen in derselben Höhe.

Am 29. Januar 2006 starb die Mutter des Klägers und wurde nach dem Erbschein des Amtsgerichts K. vom 20. Juli 2006 vom Kläger und seiner Schwester I. M. zu je 1/2 beerbt. Zeitweise wohnten verschiedene weitere Personen im Haus. Im Weiterbewilligungsantrag aus August 2007 erklärte der Kläger zu den KdU, von den drei Wohneinheiten des Hauses mit einer Gesamtwohnfläche von 90 m² bewohne er eine 40 m² große Wohnung im Dachgeschoß. Auf Nachfrage gab er an, die Mieter seien ausgezogen bzw. gekündigt, da sie keine Miete zahlten. Zudem habe sich seine Ehefrau von ihm getrennt und sei Mitte August 2007 ausgezogen. Der Beklagte gewährte (nur) dem Kläger für den Zeitraum von August 2007 bis Februar 2008 monatliche Leistungen unter Anrechnung eines Einkommens aus Vermietung von bereinigt 145,57 EUR. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und beanstandete die Einkommensanrechnung. Mieteinnahmen stünden der Erbengemeinschaft zu und würden für Reparaturen des unter Denkmalschutz stehenden Hauses verwendet. Weiter teilte er mit, die Erbengemeinschaft habe beschlossen, ihn nicht mehr mietfrei wohnen zu lassen. Es sei rückwirkend zum 1. September 2007 ein Mietvertrag abgeschlossen worden.

Im November 2007 erläuterte der Kläger, in Ansehung des Hauses sei er Teilerbe seiner Mutter, die sonst keine Vermögenswerte hinterlassen habe. Er legte den Mietvertrag vor: Nach dem Wortlaut des am 31. Juli 2007 in K. abgeschlossenen "Wohnungs-Einheitsmietvertrag" vermietete die "Erbengemeinschaft L./M.", vertreten durch Zeuge K. L., der auf Vermieterseite den Vertrag ...

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