Rz. 59

Pflegegeld wird bei Vollzeitpflege und bei Tagespflege gezahlt (§ 39 i. V. m. § 33 SGB VIII, § 23 SGB V). § 11a Abs. 3 Satz 2 stellt das Pflegegeld nach dem SGB VIII teilweise von der Berücksichtigung als Einkommen frei. Relevant ist der Teil, der tatsächlich für den erzieherischen Einsatz gewährt wird, nicht der Aufwendungsersatz. Das betrifft die Vollzeitpflege, nicht jedoch die institutionelle Pflege (sonstiges betreutes Wohnen nach § 34 SGB VIII). Heftig umstritten ist die teilweise Berücksichtigung des Erziehungsbeitrages als Erwerbseinkommen nach dem SGB VIII seit Inkrafttreten des SGB II (vgl. BSG, Urteil v. 29.3.2007, B 7b AS 12/06 R; vgl. auch BSG, Urteil v. 1.7.2009 B 4 AS 9/09 R). Bei dem Erziehungsbeitrag handelt es sich um eine finanzielle Anerkennung für die erzieherischen Leistungen der Pflegeperson, der deshalb neben dem Pflegegeld bei Vollzeitpflege (Vollzeitkinderpflegegeld) gezahlt wird. Während das Pflegegeld als Aufwendungsersatz anrechnungsfrei bleibt, wird der Erziehungsbeitrag als zweckbestimmtes Erwerbseinkommen qualifiziert. Dies wird mit der Gegenleistung zur Unterstützung der Pflegeeltern begründet. Nach anderer Auffassung wird der Erziehungsbeitrag als Einkommen des Pflegekindes gewertet. Sozialpolitische Brisanz liegt in der Befürchtung, die Bereitschaft zur Pflege könnte eingedämmt werden. Tatsächlich kann die Anrechnungsfrage erheblich eingeschränkt betrachtet werden. Der Erziehungsbeitrag wurde schon bisher faktisch nur berücksichtigt, wenn er für mehrere Pflegekinder gezahlt wird. In der politischen Diskussion wird darauf abgestellt, dass Anrechnungsfreiheit systemwidrig sei, weil Pflegetätigkeit teilweise über das Fürsorgesystem des SGB II finanziert würde und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe durch das SGB II subventioniert würden. Das Pflegegeld nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist unabhängig von seiner Höhe in vollem Umfang nicht als Einkommen zu berücksichtigen (§ 44 SGB VII).

 

Rz. 60

Durch das SGB II-Fortentwicklungsgesetz ist für die Zeit ab dem 1.1.2007 klargestellt, dass lediglich der Anerkennungsbetrag für den erzieherischen Einsatz anzurechnen ist (§ 11a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b), jedoch für das 1. und 2. Pflegekind nicht und für das 3. Pflegekind zu 75 % (§ 11a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a). Pflegegeld wird nicht entsprechend der Empfehlung des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der monatlichen Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege berücksichtigt. Regionale Abweichungen der Höhe des Erziehungsbeitrages wären dabei möglich. Bei der konkreten Bestimmung der Anrechnungsfreiheit bleibt nicht das Pflegegeld für die Kinder anrechnungsfrei, die sich am längsten im Haushalt befinden. Auf den Pflegeumfang kommt es auch nicht an. Die Jobcenter gehen bei ihren Berechnungen von der Regelung des § 39 Abs. 6 SGB VIII aus. Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 EStG bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist danach ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 EStG für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.

Im SGB II wird nur das Kindergeld berücksichtigt, das noch nicht bei der Bewilligung des Pflegegeldes berücksichtigt wurde. Demnach wird das Kindergeld um diese Beträge bereinigt. Auf die Zeit ab 1.1.2023 angewendet bedeutet dies:

 
Kind Kindergeld seit 1.1.2023 Anrechnung nach § 39 Abs. 6 SGB VIII Rest Kindergeld = Anrechnungsbetrag im SGB II
1 250,00 EUR 250,00 EUR * 0,5 = 125,00 EUR 250,00 EUR – 125,00 EUR = 125,00 EUR
2 250,00 EUR 250,00 EUR * 0,25 = 62,50 EUR 219,00 EUR – 62,50 EUR = 187,50 EUR
3 250,00 EUR 250,00 EUR * 0,25 = 62,50 EUR 225,00 EUR – 62,50 EUR = 187,50 EUR
4 250,00 EUR 250,00 EUR * 0,25 = 62,50 EUR 250,00 EUR – 62,50 EUR = 187,50 EUR
 

Rz. 61

Der Anrechnungsbetrag schwankt also nach Maßgabe der Kinderreihenfolge. Das LSG Hamburg hat entschieden, dass bei der Berechnung des zu berücksichtigenden Pflegegeldes zunächst von den tatsächlich zugeflossenen Erziehungsgeldanteilen auszugehen ist. Die Bestimmung der Reihenfolge der Pflegekinder als erstes, zweites, drittes und viertes Pflegekind usw. habe nicht nach der zeitlichen Reihenfolge im Pflegeverhältnis, sondern nach einer Durchschnittsbildung der erhaltenen Erziehungsgeldanteile zu erfolgen. Es wird also keine Rangfolge mehr gebildet, dadurch werden Zufälligkeiten vermieden (LSG Hamburg, Urteil v. 16.6.2011, L 5 AS 49/08). Die Rechtsprechung wurde durch das BSG bestätigt (BSG, Urteil v. 23.5.2012, B 14 AS 148/11 R). Der gesetzlichen Vorschrift ist eine notwendige Reihung und Rangfolgenbildung mit der Bestimmung eines ersten bis letzten Pflegekindes nicht zu entnehmen und steht nach Auffassung des BSG im Widerspruch zu dessen systematischer und teleologische...

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