Rz. 6

Nicht als Einkommen nach § 11, sondern nach Maßgabe des § 12 ist Vermögen zu berücksichtigen. Für das Einkommen gilt die modifizierte Zuflusstheorie. Das BSG hat sich insoweit der Rechtsprechung des BVerwG angeschlossen. Sie besagt, dass zum Einkommen alles gehört, was in der Zeit dem Hilfebedürftigen zufließt, während er einen Bedarf an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat, es sei denn, es erfolgt eine andere normative Zuordnung (vgl. BSG, Urteil v. 7.12.2017, B 14 AS 8/17 R). Davon sind nur die Einnahmen ausgenommen, die im Ergebnis eine frühere Vermögenslage wieder herstellen (Erspartes und Schadensersatzleistungen). Davon abzugrenzen ist Vermögen. Für die Abgrenzung ist der Tag der Antragstellung maßgebend (Tagesprinzip, ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil v. 24.4.2015, B 4 AS 32/14 R, vgl. schon LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.9.2012, L 13 AS 3565/12). Ein für zurückliegende Zeiträume, aber nach Antragstellung erbrachter Geldbetrag ist demnach dem Einkommen zuzurechnen. Das trifft auch auf Steuererstattungen in solchen Sachverhaltskonstellationen zu (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.4.2017, L 28 AS 30/15). Unerheblich ist danach, dass das der Nachzahlung zugrunde liegende Entgelt bereits zu einem früheren Zeitpunkt erarbeitet wurde. Mit dem Zeitpunkt der Antragstellung als Zäsur ist der Tag und nicht etwa die Uhrzeit gemeint (BSG, Urteil v. 14.2.2013, B 14 AS 51/12 R). Der Tag ist die kleinstmögliche Bedarfszeit nach dem SGB II. Diese Auslegung sieht das BSG durch § 37 Abs. 2 bestätigt. Die Bedarfszeit, auf die abzustellen sei, kenne als kleinste Einheit nur den Tag. Relevant sei stets ein ganzer Tag. So gelte der ganze Tag als am Tag der Antragstellung beantragt, und nicht erst der nächste Tag. Im Übrigen ist auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen, auf eine Identität der Zweckbestimmung oder des Zeitraums der Leistung und des Bedarfs kommt es nicht an (unter Hinweis auf BVerwG, Urteil v. 18.2.1999, 5 C 35/97).

 

Rz. 7

Kommt einem Antrag auf Leistungen zum Lebensunterhalt Rückwirkung zu, ist für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nicht der Tag der Antragstellung maßgebend, sondern der Beginn des Leistungszeitraumes (Bayerisches LSG, Urteil v. 21.3.2012, L 16 AS 202/11). Das BSG hat klargestellt, dass dem für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgebenden Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch dann Rückwirkung auf den ersten Kalendertag des Antragsmonats zukommt, wenn für die Zeit vor Antragstellung kein Leistungsanspruch besteht (BSG, Urteil v. 28.10.2014, B 14 AS 36/13 R). Zuflüsse vor Antragstellung, aber innerhalb des Rückwirkungszeitraumes sind als Einkommen zu qualifizieren. Dieses ist erst zu berücksichtigen, wenn gegenüber dem Einkommen günstigere Regelungen nicht mehr schützen. Zur Abgrenzung vom Einkommen kann Vermögen als die Summe an Werten qualifiziert werden, die der Hilfebedürftige zu Beginn des Bedarfszeitraums bereits hat. Bei längerfristiger Betrachtung wird Einkommen, das in einem früheren Bedarfszeitraum zugeflossen ist, zu Vermögen in einem späteren Bedarfszeitraum, wenn und soweit es noch vorhanden ist. Das praktizieren die Jobcenter auch in Bezug auf Einnahmen in Geldeswert, die seit dem 1.8.2016 nicht mehr als Einkommen zu berücksichtigen sind. Sie prüfen für die Zeit ab dem Kalendermonat, der dem Zufluss der Einnahme folgt, eine Berücksichtigung als Vermögen nach Maßgabe des § 12. In Fällen einer Erfüllungsfunktion muss deshalb genau geprüft werden, wann eine Leistung zugeflossen ist (vgl. dazu BSG, Urteil v. 20.12.2011, B 4 AS 203/10 R). Der Gewinn aus der Auflösung einer Ansparrücklage nach § 7g EStG ist Einkommen aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (vgl. BSG, Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 21/10). Das entspricht den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts.

 

Rz. 8

Wird einem Hilfebedürftigen ein Geldbetrag "hinterlassen", ist zur Klärung der möglichen Berücksichtigung als Einkommen oder Vermögen zunächst zweifelsfrei die Frage zu beantworten, ob es sich um eine Erbschaft, eine Einzelzuwendung im Wege des Vermächtnisses oder die Bestimmung als Bezugsberechtigter aus einem Vertrag zugunsten Dritter gehandelt hat (BSG, Urteil v. 28.10.2009, B 14 AS 62/08 R). Jedenfalls ist eine Erbschaft in Geld bis zum 30.6.2023 nicht nach Abs. 1 Satz 1 und 2 von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen, jedoch ab 1.7.2023 nach § 11a Abs. 1 Nr. 7. Für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen wird bei einer Erbschaft i. d. R. der Zeitpunkt des Erbfalls maßgebend sein, auf den Tag des Zuflusses kommt es insoweit an, als Einkommen nicht zuvor berücksichtigt wird (so auch BSG, Urteil v. 24.2.2011, B 14 AS 45/09 R; BSG, Urteil v. 17.2.2015, B 14 KG 1/14 R). Späterer Zufluss stellt sich nur noch als "Versilbern" dar. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge kann der Erbe bereits mit dem Erbfall über seinen Anteil am Nachlass verfügen. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung...

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