Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechnung von Einkommen. Steuererstattung als Einkommen

 

Orientierungssatz

Eine zugunsten eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Antragstellung auf Grundsicherungsleistungen erfolgte Steuerrückerstattung ist als Einkommen anzurechnen und dabei im Regelfall über den Bewilligungszeitraum in gleiche Monatsbeträge anteilig aufzuteilen. Eine Einkommensanrechnung scheidet nur dann aus, wenn im Leistungsantrag ein Leistungsbeginn beantragt war, der erst nach dem Monat einsetzt, in dem der Rückzahlungsbetrag erlangt wurde.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe des gewährten Arbeitslosengeldes II bzw. Sozialgeldes für die Monate Juli bis Oktober 2011.

Die Klägerin zu 1. und ihre minderjährige Tochter, die Klägerin zu 2., für die die Klägerin zu 1. allein sorgeberechtigt ist, lebten im streitigen Zeitraum in Bedarfsgemeinschaft zu einem Mietzins von 427,97 Euro zur Untermiete in der Wohnung der Mutter der Klägerin zu 1. Die Gesamtmiete betrug 727,97 Euro (482,82 Euro Grundmiete + 110,94 Euro Heizung/Warmwasser + 134,21 Euro kalte Betriebskosten), die Warmwasseraufbereitung erfolgte mittels Fernwärme. Die Klägerin zu 1. bezog bis zum 22. Juni 2011 Arbeitslosengeld, das ihr in Höhe von 1.056,60 Euro im Mai 2011 und in Höhe von 774,84 Euro im Juni 2011 zufloss. Außerdem wurde ihrem Konto am 09. Juni 2011 eine Steuerrückerstattung in Höhe von 3.405,15 Euro gutgeschrieben. Die Klägerin zu 2. bezog monatlich Kindergeld in Höhe von 184,- Euro sowie einen Unterhaltsvorschuss in Höhe von 133,- Euro.

Am 20. Mai 2011 ging bei dem Beklagten der am 18. Mai 2011 unterschriebene Antrag der Klägerin zu 1. auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ein. Dem Formblatt “Antragsbegründung„, unterschrieben am 29. Mai 2011, ist u.a. Folgendes zu entnehmen:

“ Antragsmonat: 18. 05.2011

1. Meinen Antrag auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld begründe ich wie folgt: Ende des ALG I am 22. Juni 2011.

2. Meinen Lebensunterhalt (und den meiner im Haushalt lebenden Angehörigen) habe ich während der vergangenen Monate wie folgt sichergestellt:

Durch ALG I (Arbeitslosigkeit).„

Mit bindend gewordenem Bescheid vom 10. August 2011 lehnte der Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Mai bis zum 30. Juni 2011 ab, da die Klägerinnen aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens nicht hilfebedürftig seien. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte u.a. das in dem jeweiligen Monat zugeflossene Arbeitslosengeld sowie für Juni 2011 die in diesem Monat zugeflossene Steuerrückerstattung, verteilt auf sechs Monate. Mit weiterem Bescheid vom 10. August 2011 wurden den Klägerinnen vorläufig Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Oktober 2011 in Höhe von monatlich 30,80 Euro als Leistung zur Deckung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1. sowie zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung von monatlich 213,98 Euro für die Klägerin zu 1. und 38,66 Euro für die Klägerin zu 2. bewilligt. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründeten die anwaltlich vertretenen Klägerinnen damit, dass Anspruch auf Leistungen für die Zeit von Juli bis Oktober 2011 ohne Anrechnung von Einkommen aus der Steuererstattung bestehe. Ihr Antrag vom 18. Mai 2011 sei erst zum 01. Juli 2011 zu verstehen gewesen. Sie habe für Mai und Juni 2011 ausreichend Mittel von der Bundesagentur für Arbeit erhalten, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe nicht bestanden. Demzufolge sei die Steuererstattung vom 09. Juni 2011 vor Antragstellung zugeflossen und mithin als Vermögen und nicht als Einkommen zu betrachten. Eine Anrechnung habe nicht zu erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Bedarfszeit beginne mit der Wirksamkeit der Antragstellung. Der Antrag wirke auf den Ersten des Antragsmonats zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Wegen der geregelten Antragsrückwirkung auf den Monatsersten seien auch Einnahmen, die im Zuflussmonat vor dem Tag der Antragstellung im Antragsmonat zufließen würden, als Einkommen zu berücksichtigen. Der von der Klägerin zu 1. am 18. Mai 2011 unterschriebene Antrag sei am 20. Mai 2011 bei ihm, dem Beklagten, eingegangen. Die Bedarfszeit beginne im Fall der Klägerinnen also am 01. Mai 2011. Die am 09. Juni 2011 zugeflossene Steuererstattung sei daher zu Recht als Einkommen berücksichtigt worden. Die Klägerin zu 1. habe weder im Antragsvordruck vermerkt, dass sie Leistungen erst zu einem späteren Zeitpunkt begehre, noch habe sie bei ihren persönlichen Vorsprachen vorgetragen, dass der Antrag auf Leistungen als solcher zum 01. Juli 2011 zu verstehen sei.

Dagegen habe...

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