Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei Ausbildungsförderungsbezug. Anwendung der Ausnahmeregelung nach § 7 Abs 6 Nr 2 SGB 2 auch bei Auszubildenden mit eigener Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Anwendbarkeit des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB 2 kommt es allein darauf an, ob sich bei Anwendung der Vorschriften des BAföG der Bedarfssatz nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG ergibt (so auch LSG Berlin-Potsdam vom 24.1.2008 - L 26 B 60/08 AS ER -; SG Duisburg vom 26.2.2007 - S 10 AS 96/06 ER -, jeweils zitiert nach Juris). Hingegen ist nicht Voraussetzung, dass der Auszubildende im Haushalt seiner Eltern leben muss (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 26.1.2006 - L 5 B 1351/05 AS-ER = FEVS 57, 423 und vom 5.7.2006 - L 10 AS 545/06, zitiert nach Juris).

 

Orientierungssatz

Besucht der Auszubildende eine Berufsfachschule iS von § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 BAföG und gilt der erhöhte monatliche Bedarf nach § 12 Abs 2 S 1 Nr 1 BAföG trotz eigener Wohnung nicht, weil die Ausbildungsstätte von der Elternwohnung aus räumlich erreichbar wäre (§ 12 Abs 2 S 2 iVm § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG), so bemisst sich die Ausbildungsförderung nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG und die Ausnahmeregelung des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB 2 findet daher Anwendung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.12.2009; Aktenzeichen B 14 AS 61/08 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Berufungsverfahren dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der am … 1986 geborene Kläger besuchte bis zum Juli 2006 das Gymnasium B und ab dem 04. September 2006 eine Berufsfachschule für Technik in L1 . Nach der Trennung seiner Eltern und der Einleitung der Zwangsversteigerung des elterlichen Hauses in B bewohnte der Kläger seit dem 01. September 2005 und im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum alleine eine Mietwohnung in B ; seine Mutter verzog nach L1 (Erzgebirge), sein Vater nach L2 .

Mit Bescheid vom 29. September 2006 bewilligte das zuständige Amt für Ausbildungsförderung dem Kläger für die Zeit von August 2006 bis Juli 2007 monatliche Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Höhe von 34,00 €. Dabei wurde ein Grundbetrag von monatlich 192,00 € und ein anzurechnendes Einkommen des Vaters des Klägers in Höhe von 147,98 € in Ansatz gebracht. Zur Erläuterung des festgesetzten Grundbedarfes wurde darauf hingewiesen, dass die Schule von der Wohnung des Vaters des Klägers aus in einer Zeit von unter zwei Stunden erreichbar sei. Da sich der Bedarf des Klägers nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG bemesse, unterfalle der Kläger nicht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, weshalb auf einen möglichen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hingewiesen werde. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 änderte das Amt für Ausbildungsförderung die Bewilligung von Leistungen für die Zeit von August 2006 bis Juli 2007 auf monatlich 192,00 €, nachdem sich das Einkommen des Vaters des Klägers im Bewilligungszeitraum noch nicht abschließend habe feststellen lassen.

Das Sächsische Landesamt für Ausbildungsförderung wies mit Bescheid vom 23. November 2006 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2006 zurück. Die Gewährung des höheren Bedarfes nach § 12 Abs. 2 BAföG sei ausschließlich durch ausbildungsbezogene Gründe zu rechtfertigen. Von der Wohnung des Vaters in L2 aus sei die Ausbildungsstelle (hier: eine Berufsfachschule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG) in weniger als 120 Minuten zu erreichen, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a BAföG und damit auch diejenigen nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BAföG nicht gegeben seien. Andere Gründe als die räumliche Entfernung, etwa die vom Kläger vorgetragenen unzureichenden Wohnverhältnisse beim Vater, rechtfertigt bei einer auswärtigen Unterbringung die Gewährung einer erhöhten Ausbildungsförderung nach § 12 Abs. 2 BAföG nicht. Von der in § 2 Abs. 1a Satz 2 BAföG eröffneten Befugnis, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass Ausbildungsförderung auch in den Fällen geleistet werde, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar sei, sei bislang kein Gebrauch gemacht worden.

Am 28. August 2006 beantragte der Kläger, der bereits zuvor von März 2005 bis Januar 2006 bei der Beklagten im Leistungsbezug gestanden hatte, Leistungen nach dem SGB II. Dabei gab er u.a. an, das an seine Mutter gezahlte monatliche Kindergeld in Höhe von 154,00 € werde an ihn weitergeleitet.

Mit Bescheid vom 01. November 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab und führte zur Begründung aus, der Kläger absolviere eine dem Grunde nach förderungsfähige Berufsausbildung und sei somit gemäß § 7 Abs. 5 SGB II...

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