Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Wohnungshilfe. Übernahme durch BAföG-Leistungen nicht gedeckter Unterkunftskosten. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss für dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB 2. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungen für Auszubildende. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 12/17 R

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Hilfen zur Erhaltung einer Wohnung iS von § 55 Abs 2 Nr 5 SGB IX zählt nicht die Übernahme der laufenden Kosten der Unterkunft.

2. Außerhalb von Einrichtungen können laufende Unterkunftskosten, auch soweit sie behinderungsbedingt erhöht sind, vom Sozialhilfeträger nicht als Eingliederungshilfe, sondern nur als Leistung zum Lebensunterhalt nach dem 3. oder 4. Kapitel des SGB XII übernommen werden.

 

Orientierungssatz

1. Die Hilfen zur Erhaltung einer Wohnung nach § 55 Abs 2 Nr 5 SGB 9 beinhalten objektbezogene Maßnahmen zur behindertengerechten (Um-)Gestaltung einer bereits vorhandenen oder einer neuen Wohnung, dh zur Anpassung der Beschaffenheit der Wohnung an die besonderen Bedürfnisse des behinderten Menschen.

2. Soweit ein behinderungsbedingter Mehrbedarf sich nicht auf die Regelbedarfe, sondern auf den Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung bezieht, findet er bei der Frage der (konkreten) Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft (§ 35 SGB 12 bzw § 22 SGB 2) Berücksichtigung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.04.2019; Aktenzeichen B 8 SO 12/17 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19. August 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme laufender Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum November 2012 bis April 2013.

Die 1985 geborene, erwerbsfähige Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einer zentralen Koordinationsstörung. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen “G„, “aG„, “B„ und “H„ festgestellt. Eine Pflegestufe ist nicht zuerkannt. Zur Fortbewegung außerhalb der Wohnung benötigt die Klägerin einen Elektrorollstuhl, innerhalb der Wohnung nutzt sie einen Aktivrollstuhl. Sie bewohnte im maßgeblichen Zeitraum eine - behindertengerecht ausgestattete - Wohnung in B.... (62,75 qm), für die Aufwendungen in Höhe von monatlich 456,00 € (421,00 € zzgl. 35,00 € für den dazugehörigen Tiefgaragenstellplatz) anfielen.

Seit dem Wintersemester 2011/2012 war die Klägerin als Studentin an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur B.... im Studiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaften eingeschrieben. Während dieser Zeit bezog sie Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Der im BAföG-Satz enthaltene Anteil für Unterkunftskosten (monatlich 224,00 € gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG) deckte allerdings die tatsächlichen Aufwendungen nicht vollständig ab.

Den Antrag der Klägerin auf Übernahme der den im BAföG-Satz enthaltenen Betrag übersteigenden Unterkunftskosten (monatlich 232,00 €) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 13.11.2012, Widerspruchsbescheid vom 30.04.2013). Die Übernahme laufender Kosten der Unterkunft und Heizung sei in § 35 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) eindeutig und abschließend geregelt. § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) enthalte eine parallele Regelung für erwerbsfähige Hilfebedürftige. Hiernach seien besondere Umstände des Einzelfalles - so auch ein behinderungsbedingt erhöhter Wohnflächenbedarf - bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Angesichts ihrer Erwerbsfähigkeit gehöre die Klägerin zu dem nach dem SGB II anspruchsberechtigten Personenkreis.Für sie seien daher Leistungen nach § 27 Abs. 3 oder 4 SGB II zu prüfen. Im Rahmen der Teilhabeleistungen nach §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sei für die Gewährung laufender Unterkunftskosten kein Raum. Die in § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX normierte Hilfe zur Wohnungserhaltung umfasse Hilfen zur behindertengerechten Umgestaltung einer bereits vorhandenen Wohnung nicht aber die - anderweitig geregelte (§ 35 SGB XII, § 22 SGB II) - Übernahme laufender Mietaufwendungen.

Die gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten erhobene, auf die zuschussweise Gewährung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 232,00 € für den Zeitraum November 2012 bis April 2013 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Leipzig - nach Beiladung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende - abgewiesen (Urteil vom 19.08.2015). Ein Leistungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten bestehe nicht. Die von der Klägerin beanspruchten Leistungen seien nicht Teil der Eingliederungshilfe. Bei den laufenden Unterkunftskosten handele es sich nicht um Leistungen der Wohnungserhaltung nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 SG...

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