Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. selbstständige Tätigkeit. Gewinnermittlung. Einkommensteuernachzahlung für zurückliegende Zeiträume. keine Betriebsausgabe im aktuellen Bewilligungszeitraum. Steuerschulden. Absetzung von privaten Altersvorsorgebeiträgen auch bei nicht rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zahlung von Einkommensteuer für einen zurückliegenden Zeitraum ist nicht als betriebsbedingte Ausgabe im Sinne von § 3 Abs 2 Alg II-VO (juris: AlgIIV 2008) mindernd zu berücksichtigen. Vielmehr handelt es sich bei Einkommensteuernachzahlungen im Ergebnis um von § 11b SGB II nicht erfasste Steuerschulden, die nicht vom Einkommen im Bewilligungszeitraum mindernd abzusetzen sind.

2. Beiträge für eine private Altersvorsorge in Form von Prämien für eine private Rentenversicherung sind als Absetzbeträge vom Einkommen nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 Halbs 1 SGB II auch bei selbständig Erwerbstätigen mindernd zu berücksichtigen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits dem Grunde nach nicht versicherungspflichtig sind.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2020 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die (vom Beklagten abschließend festgesetzte) Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 sowie der daraus resultierenden Erstattung vorläufig bewilligter Leistungen.

Die 1978 geborene Klägerin zu 1. ist deutsche Staatsangehörige, mit Wohnsitz in A..., erwerbsfähig, beschäftigungslos, Mutter des 1999 geborenen Klägers zu 2. sowie der 1995 geborenen Klägerin zu 3. und lebt mit dem 1968 geborenen Kläger zu 4. in einem gemeinsamen Haushalt in Partnerschaft. Für ihre beiden Kinder bezog sie jeweils 184,00 Euro monatlich Kindergeld. Beide Kinder besuchten die Schule. Für die gemeinsame Wohnung zahlten sie monatlich 467,00 Euro Miete (davon monatlich: 260,00 Euro Grundmiete, 118,00 Euro Betriebskosten und 89,00 Euro Heizkosten). Im April 2012 erhielten die Kläger vom Vermieter eine Betriebskostengutschrift in Höhe von 842,00 Euro überwiesen.

Der Kläger zu 4. ist seit dem 01.11.2007 selbständig im Bereich IT-Service tätig, hat wechselnde Auftraggeber, ist in der gesetzlichen Rentenversicherung seit Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei (Bescheid vom 03.04.2017 der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See), erzielt unregelmäßige Einkünfte, zahlte im Jahr 2012 monatlich 67,20 Euro Beiträge für eine freiwillige Arbeitslosenversicherung aufgrund Pflichtversicherung aufgrund Antrages an die Bundesagentur für Arbeit, entrichtete Haftpflichtbeiträge für eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in Höhe von vierteljährlich 60,18 Euro am 01.04.2012 sowie am 01.07.2012 und hatte mit Beginn ab 01.07.2008 einen Altersvorsorgevertrag bei der W... AG abgeschlossen, bei dem es sich um eine fondsgebundene Rentenversicherung der Basisversorgung mit Prämienrückgewährsrente an berechtigte Hinterbliebene handelte. Die monatlich vom Kläger zu 4. für diese private Rentenversicherung zu leistende Prämie betrug (im Jahr 2012) 100,00 Euro. Die letzte Prämie wird am 01.06.2035 fällig. Als Altersrentenbeginn wurde der 01.07.2035 festgehalten. Aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010 des Finanzamtes V... vom 24.04.2012 entrichtete er für das Jahr 2010 am 16.04.2012 einen Betrag in Höhe von 3.687,62 Euro (für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag) nach. Aufgrund des Vorauszahlungsbescheides über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag des Finanzamtes V... vom 10.04.2012 hatte er vierteljährlich 422,00 Euro Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsvorauszahlungen für das Jahr 2012 zu entrichten, die er am 05.06.2012 und am 03.09.2012 in Höhe von jeweils 422,00 Euro an das Finanzamt V... zahlte.

Die Kläger stehen seit Längerem beim Beklagten im laufenden, aufstockenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 21.03.2012 und auf der Grundlage einer vorläufigen Erklärung des Klägers zu 4. zu seinem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (in Höhe eines geschätzten durchschnittlichen monatlichen Gewinns von voraussichtlich 780,88 Euro) bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 25.04.2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 (in Höhe von monatlich 866,30 Euro für April bis Juli und September 2012 sowie in Höhe von 936,30 Euro für August 2012). Nach Eingang der Betriebskostengutschrift im April 2012 in Höhe von 842,00 Euro sowie Nachweis der Zahlung der Beiträge zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung in Höhe von monatlich 67,20 Euro und einer vierteljährlichen Einko...

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