Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Zulassungsbedürftigkeit der Berufung. Zulassungsgrund. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss. Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung. Jugendarrest

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob der Jugendarrest unter den Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 S 2 SGB II fällt, kann durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden und stellt damit keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 144 Abs 2 Nr 1 SGG dar.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. März 2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz 26.03.2021, mit dem seine Klage gegen die Aufhebung und Rückerstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit der Ableistung eines Jugendarrestes abgewiesen worden ist.

Mit Bescheid vom 25.09.2018, geändert durch Änderungsbescheid vom 07.01.2019, bewilligte der Beklagte dem am 1998 geborenen Kläger für den Zeitraum 01.10.2018 bis zum 30.09.2019 Leistungen in Höhe von zuletzt monatlich 551,75 € (Regelbedarf unter Anrechnung von Einkommen in Höhe von 251,75 € und Kosten der Unterkunft ≪KdU≫ und Heizung in Höhe von 300,00 €). In der Zeit vom 13.05.2019 bis 10.06.2019 war der Kläger zur Ableistung eines Jugendarrests in der Jugendarrestanstalt Z.... untergebracht.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2020 hob der Beklagte nach Anhörung des Klägers den Bescheid vom 25.09.2018, geändert durch Änderungsbescheid vom 07.01.2019, für den Zeitraum vom 01.05.2019 bis 31.05.2019 teilweise in Höhe von 254,40 € auf und forderte die insoweit überzahlten Leistungen zurück. Der Betrag ergab sich aus der Differenz des Regelbedarfs (424,00 €) und dem anteiligen Betrag für zwölf Tage (169,50 €) für Zeiten vor dem Arrest und der Anrechnung des im Mai 2019 erzielten Einkommens. Dabei beließ der Beklagte dem Kläger die KdU und Heizung in zuvor bewilligter Höhe. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2020 zurück.

Am 12.10.2020 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben und u.a. auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt vom 24.09.2014 (L 4 AS 318/13) verwiesen. Aufgrund der Besonderheiten des Jugendarrests sei dieser nicht mit einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II gleichzustellen. Bei der Auslegung der Vorschrift sei § 13 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) zu beachten, wonach es sich bei dem Jugendarrest um ein Zuchtmittel und nicht um eine (Jugend-) strafe handele und dieser auch eine andere Zielsetzung verfolge. Der Jugendarrest sei auf eine Dauer von maximal vier Wochen begrenzt. § 13 Abs. 3 JGG stelle klar, dass die Ahndung mit Zuchtmitteln nicht mit den Rechtswirkungen einer Strafe gleichgestellt werden dürfe. Der Beklagte hat erwidert, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II mit dem ersten Tag der Unterbringung greife. Um einen Wechsel zwischen den Leistungssystemen des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) und des SGB II zu vermeiden, habe er dem Kläger die KdU und Heizung für den ganzen Monat Mai 2019 belassen.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die Leistungen zu Recht auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch mit Bescheid vom 14.05.2020 auf nur 297,35 € festgesetzt und zu Recht einen Betrag in Höhe von 254,40 € zurückgefordert. Der Kläger sei in der Zeit vom 13.05.2019 bis zum 10.06.2019 aufgrund der Ableistung des Jugendarrests gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen gewesen.Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II sei unter anderem derjenige vom Leistungsbezug ausgeschlossen, der in einer stationären Einrichtung untergebracht sei, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art beziehe. Gemäß § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB II sei dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Streitig sei, ob der Jugendarrest nach § 16 JGG eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB II sei oder nicht. Die dies verneinende Auffassung begründe dies mit den Besonderheiten des JGG, wonach Zuchtmittel keine echten Kriminalstrafen darstellten und dies eine andere Bewertung des Jugendarrests rechtfertige (Hinweis auf Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 24.09.2014 - L 4 AS 318/13 und des LSG Hessen vom 2...

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