Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung eines Prozesspflegers für nicht prozessfähige Partei

 

Normenkette

BGB § 47; ZPO § 29

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 19.05.2005; Aktenzeichen 16 O 269/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Köln (16 O 269/04) vom 19.5.2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Frau Rechtsanwältin V.C., F.-Straße 9, I., wird der Beklagten für den vorliegenden Rechtsstreit 16 O 269/04 LG Köln gem. § 57 Abs. 1 ZPO zur Prozesspflegerin bestellt.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Kläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Beklagten auferlegt.

 

Gründe

Die gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache Erfolg. Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung ist der derzeit nicht prozessfähigen Beklagten unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 ZPO ein Prozesspfleger zu bestellen.

Nach der vom Senat geteilten herrschenden Auffassung (OLG Stuttgart v. 12.7.1996 - 9 W 69/94, MDR 1996, 198; Lindacher in MünchKomm/ZPO, § 57 Rz. 8, m.w.N.) ist § 57 ZPO analog anzuwenden, wenn der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person während des laufenden Rechtsstreits wegfällt und die Partei die Prozessfähigkeit verliert. Die Bestellung des Prozesspflegers hat vorliegend zu erfolgen, weil für den Kläger mit dem Verzug des Eintritts des gesetzlichen Vertreters Gefahr verbunden ist. Gefahr im Verzug liegt dann vor, wenn der Aufschub der Klage - bzw. der Fortführung des Rechtsstreits - für den Kläger nicht unerhebliche Nachteile bringt (Lindacher in MünchKomm/ZPO, § 57 Rz. 9). Die Beklagte ist seit annähernd einem Jahr ohne ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung. Aufgrund dieses Zeitablaufs ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass der Kläger im Hinblick auf die Führungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit der juristischen Person seiner Ansprüche verlustig gehen könnte.

Auf den verfahrensmäßigen Weg der Bestellung eines Notgeschäftsführers muss sich der Kläger nicht (weiter) verweisen lassen. Er hat bereits einen entsprechenden Antrag beim AG Köln gestellt. Dieser Antrag ist durch Verfügung der Rechtspflegerin vom 21.9.2004 (HRB 28561) zurückgewiesen worden; darin hat das AG den Kläger auf den verfahrensmäßigen Weg des § 57 ZPO verwiesen. Dies hat das LG in der angefochtenen Entscheidung - offenbar infolge eines Versehens - nicht berücksichtigt. Angesichts des berechtigten Verlangens des Klägers, den begonnenen Rechtsstreit weiterzuführen, kann es aber nicht angehen, dass er verfahrensrechtlich zwischen AG und LG hin und her verwiesen wird. Im Übrigen teilt der Senat die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung (OLG Dresden v. 11.12.2001 - 2 W 1848/01, GmbHR 2002, 163; i.E. auch: OLG Stuttgart v. 12.7.1996 - 9 W 69/94, MDR 1996, 198), dass bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden die Bestellung eines Prozesspflegers gem. § 57 ZPO ggü. dem Antrag nach § 29 BGB auf Bestellung eines Notgeschäftsführers das erheblich einfachere und in der Sache auch zutreffende Verfahren darstellt. Die gegenteilige Auffassung in der Rechtsprechung (BayObLG NJW-RR 1999, 1259 [1261]), wonach § 57 ZPO ggü. § 29 BGB subsidiär sei, wird nicht näher begründet und vermag nicht zu überzeugen.

Bei der Auswahl des Prozesspflegers hat der Senat auf die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zurückgegriffen, die gleichzeitig auch deren alleinige Gesellschafterin ist. Einwendungen gegen diese vom Senat vorab angekündigte Vorgehensweise sind nicht erhoben worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.957,23 EUR (= 1/3 des Hauptsachewerts).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1437156

OLGR-Mitte 2005, 684

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge