Leitsatz (amtlich)

Stellt eine Partei im Anschluss an die Vernehmung des Sachverständigen einen Sachantrag, ist sie mit einem Befangenheitsantrag auch dann ausgeschlossen, wenn sie sich zu den vorangegangenen Ausführungen des Sachverständigen inhaltlich noch nicht erklären kann.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Beschluss vom 08.07.2016; Aktenzeichen 4 O 2002/14)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG Chemnitz vom 8.7.2016 wird auf ihre Kosten verworfen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5833,33 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz infolge einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung in der Zeit vom 13.- 15.11.208. Sie wirft den Ärzten des von der Beklagten betriebenen Klinikums vor, eine akute Appendizitis behandlungsfehlerhaft nicht erkannt und behandelt zu haben. Das LG hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. J. eingeholt, das die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.2.2016 als in weiten Teilen unverständlich kritisiert hat. In der daraufhin anberaumten mündlichen Anhörung hat der Sachverständige sein Gutachten erläutert. Im Anschluss hieran hat die Klägerin den Antrag aus der Klageschrift vom 30.12.2014 gestellt. Erst mit Schriftsatz vom Folgetag hat sie den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dies damit begründet, dieser habe angegeben, bei seinem Sohn, bei dem vor Jahren ebenfalls eine Appendizitis vorgelegen habe, sei dieses Krankheitsbild in seinem Klinikum ebenfalls nicht sofort erkannt worden. Dies begründe die Besorgnis der Befangenheit, weil der Sachverständige bei einem Fehlervorwurf an die Beklagte zugleich auch eigenes Fehlverhalten einräumen müsse. Mit Beschluss vom 8.7.2016 hat das LG den Antrag abgelehnt. Gegen den ihr am 19.7.2016 zugegangenen Beschluss wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde vom 2.8.2016, mit der sie ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.

II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 406 Abs. 1 und 2, 43 ZPO unzulässig. Die Klägerin hat sich im Termin vom 8.6.2016 rügelos auf eine mündliche Verhandlung mit dem Sachverständigen eingelassen und hierdurch ihr Ablehnungsrecht verloren.

Gemäß § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag spätestens binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen. Eine spätere Ablehnung ist gem. § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO nur dann zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Nach einhelliger Auffassung ist in diesem Fall der Antrag entsprechend § 121 BGB unverzüglich nach Kenntnis von dem Ablehnungsgrund, d.h. innerhalb einer den Umständen des Einzelfalles angepassten Überlegungsfrist anzubringen (BGH, Beschluss vom 15.3.2005, VI ZB 74/04, Rn. 7 - juris; BayObLG MDR 1995, 412, 413; Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 406, Rn. 11; Thomas/Putzo- Reichold, ZPO, § 406, Rn. 7). Ob diese Frist gewahrt ist, beurteilt sich auch nach § 43 ZPO, so dass eine Partei ihr Recht zur Ablehnung des Sachverständigen verliert, wenn sie nach Abschluss der Anhörung des Sachverständigen Sachanträge stellt, ohne die ihr zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Ablehnungsgründe geltend zu machen (OLG Düsseldorf, MDR 1994, 620; OLG Köln, VersR 2012, 1287; OLG Düsseldorf, BeckRS 2015, 11287; OLG Bamberg MDR 2016, 867; BeckOK ZPO/Scheuch, § 406, Rn. 29; Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 43, Rn. 2; Prütting/Gehrlein-Katzenmeier, ZPO, 5. Aufl. § 406 Rn 18 m.w.N.; a.A. MüKo - Zimmermann, ZPO, 4. Aufl., § 406, Rn. 7).

So liegt der Fall hier. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem LG vom 8.6.2016 hat der Klägervertreter im Anschluss an die Anhörung des Sachverständigen den Antrag aus der Klageschrift vom 30.12.2014 gestellt. Für den Verlust des Ablehnungsrechts reicht dies aus, es ist hingegen ohne Belang, ob - wie die Beschwerde anführt - nach der Sachverständigenbefragung noch eine "ausführliche Verhandlung" zum Ergebnis der Beweisaufnahme stattfindet. § 43 ZPO soll Prozessverschleppungen verhindern. Dem entspricht es, als "Einlassen in die Verhandlung" jede Handlung einer Partei anzusehen, die - wie namentlich die Antragstellung - die Sachbearbeitung durch den Richter ermöglicht (Prütting/Gehrlein-Mannebeck, aaO. § 43 Rn 3). Der Gesichtspunkt der Prozessverschleppung greift bei der Ablehnung eines Sachverständigen wegen einer anlässlich seiner Anhörung zum Ausdruck gekommenen Besorgnis der Befangenheit in besonderem Maße, weil nach dessen Entlassung eine Stellungnahme zu dem Ablehnungsgesuch erfahrungsgemäß nur mit erheblichem Zeitverzug erfolgt, während der Sachverständige bei einer noch im Termin erfolgten Ablehnung eine eventuell missverständliche Äußerung unmittelbar klarstellen oder erläutern kann.

Dieser Verlust des Ablehnungsrechts nach rügelosem Verhandeln zur Sache umfasst jedenfalls die der Partei bekannten Ablehnungsgründe, d.h. solche, die sich aus Äuße...

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