Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. unzulässige Berufung wegen Fristversäumnis. Zustellung eines Gerichtsbescheids durch Empfangsbekenntnis. tatsächliches Zustellungsdatum: tatsächliche Kenntnisnahme des Zugangs. Unterzeichnung und Übersendung per Fax an das SG durch bevollmächtigten Rechtsanwalt. keine inhaltliche Kenntnisnahme. Vordatierung des Eingangsdatums auf den nächsten Werktag

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Zustellung durch Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO ist Zustellungsdatum der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt, auf die inhaltliche Kenntnisnahme kommt es dabei nicht an. Der Empfangswille ist durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses zu beurkunden.

2. Hat ein bevollmächtigter Anwalt sonntags die Post vom Postamt geholt, das Empfangsbekenntnis des betreffenden Gerichtsbescheids unterschrieben und noch an demselben Tag an das SG weitergefaxt, aber das Eingangsdatum auf den kommenden Werktag vordatiert (hier: Montag), so ist das für das tatsächliche Zustellungsdatum (hier: am Sonntag) unerheblich, wenn dafür der Gegenbeweis iS des § 418 ZPO iVm § 118 SSG erbracht worden ist (hier: Eingangsstempel des SG als öffentliche Urkunde, Faxzeile auf dem Empfangsbekenntnis sowie die eidesstattliche Versicherung des bevollmächtigten Anwalts).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.07.2019; Aktenzeichen B 2 U 239/18 B)

 

Tenor

Die Berufung wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Ereignisses vom 28. Juli 2012 als Arbeitsunfall.

Der ... geborene Kläger gab an, er habe im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Lokführer am 28. Juli 2012 beim Leisten von Umstiegshilfe von Reisenden und Gepäckstücken einen stechenden Schmerz in der linken Schulter verspürt. Er stellte sich dazu am 6. August 2012 bei der Durchgangsärztin Dr. K. vor. Diese befundete einen Druckschmerz am inneren Schulterblattrand und keine Bewegungseinschränkung der linken Schulter. Die Röntgenaufnahme ergab keine Fraktur. Sie diagnostizierte eine Schulterdistorsion. Am 24. August 2012 suchte der Kläger Dr. K. erneut auf. Dort gab er an, die Schulterbeschwerden hätten sich zurück gebildet. Er klagte stattdessen über Schmerzen im linken Bein, sei aber nach eigener Angabe nicht auf das Bein gefallen. Am 12. September 2012 befand sich der Kläger wieder in durchgangsärztlicher Behandlung, wobei er ein MRT der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfällen in den Segmenten C 5/6 und C 6/7 vorlegte. Am 17. September 2012 wurde der Kläger an der Halswirbelsäule im Bereich C 5/6/7 operiert.

Der Kläger schilderte unter dem 10. Oktober 2012 den genauen Unfallhergang.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28. Juli 2012 als Arbeitsunfall ab. Sie begründete dies sinngemäß damit, der willentlich ausgeübte Arbeitsvorgang sei kein Unfallereignis und, selbst wenn ein Unfallereignis stattgefunden hätte, habe dieses nicht rechtlich wesentlich den Gesundheitsschaden verursacht. Den dagegen eingelegten Widerspruch unter Hinweis auf eine Bescheinigung des behandelnden Neurochirurgen Herrn W. vom 11. Dezember 2012 wies die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. C. vom 25. Januar 2013 mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2013 zurück.

Der Kläger hat am 26. März 2013 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben und sein Begehren, das Ereignis vom 28. Juli 2012 als Arbeitsunfall mit der Folge der Bandscheibenschäden im Bereich C5/6 und C6/7 anzuerkennen, weiterverfolgt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. September 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwischen dem geschilderten Ereignis am 28. Juli 2012 und den als Unfallfolgen geltend gemachten Bandscheibenschäden bestehe kein wesentlicher Zusammenhang.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 25. September 2014 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Dieses ist mit einem Eingangsstempel vom 27. Oktober 2014 und der Unterschrift von Rechtsanwalt H. beim SG per Fax am 26. Oktober 2014 wieder eingegangen. Der Absende- und der Eingangsvermerk des Faxes tragen jeweils das Datum vom 26. Oktober 2014, 16:07 Uhr.

Der Kläger hat am 27. November 2014, einem Donnerstag, wiederum per Fax Berufung gegen den Gerichtsbescheid bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 hat der Berichterstatter den Kläger darauf hingewiesen, der Gerichtsbescheid sei ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 26. Oktober 2014 zugestellt worden und die Berufung folglich nicht fristgerecht. Zugleich hat der Berichterstatter auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung nach § 67 Abs. 1 SGG hingewiesen.

Der Kläger hat - vertreten durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt G. - darauf verwiesen, der 26. Oktober 2014 sei ein Sonntag gewesen, an d...

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