Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht von Hebammen. Unerheblichkeit der Gesellschaftsform einer selbständigen Tätigkeit und der Beschäftigung von Arbeitnehmern. Verfassungsmäßigkeit. Geschäftsführender Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Zusicherung. Soziale Schutzbedürftigkeit. Typisierende Betrachtung des Gesetzgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einbeziehung von selbständig tätigen Hebammen in die gesetzliche Rentenversicherungspflicht ist nicht verfassungswidrig.

2. Auf die Gesellschaftsform, in welcher die Tätigkeit als selbständige Hebamme ausgeübt wird (hier: Limited), kommt es bei der Prüfung der Versicherungspflicht nicht an.

3. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern steht der Versicherungspflicht als selbständig tätige Hebamme nicht entgegen.

4. Auch die Tätigkeit als selbständig tätige Familienhebamme führt zur Versicherungspflicht als Hebamme.

 

Normenkette

SGB VI § 2 S. 1 Nrn. 3, 8; SGB X §§ 34, 48 Abs. 1 S. 1; HebG § 4 Abs. 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.07.2013; Aktenzeichen B 12 R 33/12 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 05. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Versicherungspflicht der Klägerin als Hebamme im Rahmen ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin einer Limited.

Die 1979 geborene Klägerin ist gelernte Hebamme. Sie übte seit dem 01. Dezember 2001 eine selbständige Tätigkeit als Hebamme aus. Mit Bescheid vom 26. November 2002 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 01. Dezember 2001 fest.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2004, eingegangen am 30. Dezember 2004, beantragte die Klägerin die Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit. Sie führte hierzu aus, dass sie seit dem 01. November 2004 eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin beschäftige. Am 26. Januar 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten ebenfalls die Anpassung der Beitragshöhe an ihr tatsächliches Einkommen. Hierzu reichte sie den Einkommensteuerbescheid des Jahres 2002 ein.

Mit Bescheid vom 18. April 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nach § 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig sei. Sie sei auch dann versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige. Die Versicherungspflicht sei unwiderruflich. Ein Verzicht, d. h. ein freiwilliges Ausscheiden aus der Versicherungspflicht, sei nicht möglich. Die Höhe des Monatsbeitrages und der bisher fälligen Beiträge seien der Beitragsrechnung zu entnehmen, die Bestandteil dieses Bescheides sei. In der Anlage setzte die Beklagte den monatlichen Beitrag ab dem 01. Januar 2005 auf den Regelbeitrag in Höhe von 395,85 EUR fest.

Hiergegen legte die Klägerin am 13. Mai 2005 Widerspruch ein. Sie führte aus, die Rentenversicherungspflicht als Hebamme mit einer Angestellten widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Mit Bescheid vom 04. August 2005, der der Klägerin nach ihrer Angabe nicht zugegangen ist, lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vom 28. Dezember 2004 ab. Sie führte nochmals aus, dass die Klägerin seit dem 01. Dezember 2001 nach § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI rentenversicherungspflichtig sei. Die Versicherungspflicht sei unwiderruflich.

Am 14. Oktober 2005 gründete die Klägerin die "H. J. S. Limited" (im Folgenden: Limited). Gesellschafter der Limited sind die Klägerin zu 90 Prozent und V. A. zu 10 Prozent. Zur alleinigen Geschäftsführerin wurde die Klägerin bestellt.

Am 17. November 2005 beantragte die Limited die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin als geschäftsführende Gesellschafterin. Mit Bescheiden vom 22. Dezember 2005 stellte die Beklagte gegenüber der Limited und der Klägerin fest, dass Letztere die Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Limited seit dem 01. November 2005 selbständig ausübe. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit. Nach dem Vortrag der Klägerin ist nur der Bescheid an die Limited zugegangen.

Nachdem die Beklagte Beiträge von der Klägerin anmahnte, teilte diese mit Schreiben vom 10. Februar 2006 mit, dass sie aufgrund des Bescheides vom 22. Dezember 2005 nicht mehr der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliege. Der Status der Selbständigkeit sei festgestellt worden. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 teilte die Beklagte daraufhin mit, dass die Prüfung im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens ergeben habe, dass die Klägerin zwar eine selbständige Tätigkeit ausübe, aber es sei zu prüfen, ob Versicherungspflicht als selbständig Tätige gemäß § 2 SGB VI bestehe. Mit ...

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