Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Wohnflächengrenze für Einpersonenhaushalt in Sachsen-Anhalt. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzeptes im Salzlandkreis bzw für das Gebiet des Altkreises Bernburg für 2005. Heranziehung der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag. sozialgerichtliches Verfahren. Untersuchungsmaxime. Räumlicher Vergleichsmaßstab. Qualifizierter Mietspiegel. Datengrundlage. Prozessuale Mitwirkungspflicht. Heizkosten. Warmwasserbereitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da das Land Sachsen-Anhalt zu § 10 WoFG (vom 13.9.2001, BGBl I 2001, 2376) keine Ausführungsvorschriften erlassen hat, kann nicht auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte zurückgegriffen werden.

2. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23.2.1993, MBl LSA Nr 27/1993, S 1281) und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt, RdErl des MRS vom 23.2.1993, MBl LSA Nr 27/1993, S 1285, RdErl des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10.3.1995, MBl LSA Nr 31/1995, S 1133) zurückzugreifen. Danach sind Wohnflächen für einen Einpersonenhaushalt bis zu 50 qm und für einen Zweipersonenhaushalt bis zu 60 qm förderfähig. Für jede weitere zum Haushalt gehörende Person erhöhte sich die förderfähige Wohnfläche um maximal 10 qm.

3. Soweit im Land Sachsen-Anhalt in zugleich oder später erlassenen Verwaltungsvorschriften teilweise höhere förderfähige Wohnflächen - zumeist in Verbindung mit der Nennung einer Mindestzahl von Wohnräumen - beispielsweise bei der Sanierung leerstehender Wohngebäude oder zur Schaffung von alten- und behindertengerechten Wohnraums ausgewiesen wurden, handelte es sich anders als bei den generellen Richtlinien zu den Wohnungsbauförderungsbestimmungen um Spezialvorschriften, die lediglich Ausschnitte des sozialen Wohnungsbaus betrafen. Wegen der abweichenden Förderziele können diese keinen Aufschluss geben über die Größe des als angemessen erachteten Wohnraums und sind nicht heranzuziehen.

4. Genügen die Ermittlungen des Grundsicherungsträgers (hier: Salzlandkreis für das Gebiet des Altkreises Bernburg und das Jahr 2005) zur Angemessenheitsgrenze der Kosten der Unterkunft nicht den Anforderungen des BSG an ein "schlüssiges Konzept", und sind Ermittlungsversuche des Senats erfolglos geblieben, bestimmt sich die Angemessenheitsgrenze nach den Werten zu § 8 WoGG idF von 2005 (juris: WoGG 2), erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10%.

5. Verletzt der Grundsicherungsträger seine Mitwirkungspflichten aus § 103 S 1 SGG, indem er auf gerichtliche Nachfragen ua konzeptionelle Überlegungen und die Grundlagen seiner Ermittlungen nicht offenlegt, verringern sich die Anforderungen an die gerichtliche Amtsermittlung. Sie entfällt, wenn es an gesicherten Grundlagen für weitere Ermittlungen zur Nachbesserung eines "schlüssigen Konzepts" fehlt. Insoweit hat der Beteiligte die Folgen seiner unzureichenden Mitwirkung zu tragen.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 S. 1, Abs. 5; WoFG § 10; WoBindG § 5; WoGG § 8; BGB § 558d; SGG § 103

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.02.2013; Aktenzeichen B 14 AS 61/12 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. November 2008 wird aufgehoben und der Beklagte unter Änderung seines Bescheids vom 8. Juli 2005 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27. September und 24. November 2005, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2006, sowie seines Bescheids vom 27. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 27. Juni 2006 verurteilt, dem Kläger für die Monate Juli bis Dezember 2005 und Februar bis Juli 2006 jeweils weitere 52,00 EUR sowie für Januar 2006 weitere 153,00 EUR (insgesamt 777,00 EUR) an Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger 75 % seiner außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Beklagten zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Juli 2005 bis Juli 2006.

Der 1965 geborene, alleinstehende Kläger bezog bis zum 16. Dezember 2003 Arbeitslosengeld I und beantragte am 3. November 2004 Leistungen nach dem SGB II. Er bewohnt eine 55,86 m² große Wohnung in dem seit dem Jahr 1997 bezugsfertigen Haus W. straße in B ... Er hatte im streitigen Zeitraum eine Kaltmiete iHv 285,61 EUR/Monat sowie Vorauszahlungen für die Betriebskosten iHv 37,10 EUR/Monat und für die Heizkosten einschließlich Wassererwärmung iHv 54,92 EUR/Monat z...

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