Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. selbst genutztes Hausgrundstück. Straßenausbaubeitrag. Verteilung auf mehrere Monate. Angemessenheitsprüfung. angemessene Wohnungsgröße im Land Sachsen-Anhalt. Fehlen eines schlüssigen Konzepts. Anwendung der Wohngeldtabelle mit Zuschlag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da das Land Sachsen-Anhalt zu § 10 WoFG (vom 13.9.2001, BGBl I S 2376) keine Ausführungsvorschriften erlassen hat, kann nicht auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte zurückgegriffen werden.

2. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist daher im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23.2.1993, MBl LSA Nr 27/1993, S 1281) und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt, RdErl des MRS vom 23.2.1993, MBl LSA Nr 27/1993, S 1285, RdErl des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10.3.1995, MBl LSA Nr 31/1995, S 1133) zurückzugreifen. Danach waren Wohnflächen für einen Ein-Personen-Haushalt bis zu 50 qm und für einen Zwei-Personen-Haushalt bis zu 60 qm förderfähig. Für jede weitere zum Haushalt gehörende Person erhöhte sich die förderfähige Wohnfläche um maximal 10 qm.

3. Soweit im Land Sachsen-Anhalt in zugleich oder später erlassenen Verwaltungsvorschriften teilweise höhere förderfähige Wohnflächen - zumeist in Verbindung mit der Nennung einer Mindestzahl von Wohnräumen - beispielsweise bei der Sanierung leerstehender Wohngebäude oder zur Schaffung von alten- und behindertengerechten Wohnraums ausgewiesen wurden, handelte es sich anders als bei den generellen Richtlinien zu den Wohnungsbauförderungsbestimmungen um Spezialvorschriften, die lediglich Ausschnitte des sozialen Wohnungsbaus betrafen. Wegen der abweichenden Förderziele können diese keinen Aufschluss geben über die Größe des als angemessen erachteten Wohnraums und sind nicht heranzuziehen.

4. Liegt für ein Jahr (hier: Jahr 2005 im ehemaligen Landkreis Köthen) weder ein schlüssiges Konzept noch eine planvolle Ermittlung von Mietwerten oder überhaupt eine Vorgabe des kommunalen Trägers zu den Kosten der Unterkunft (KdU) vor, kann das Gericht von weiteren Ermittlungen absehen. Denn es ist nicht Aufgabe der Gerichte, selbst anstelle des zuständigen Grundsicherungsträgers ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind. In einem solchen Fall sind ohne weiteres die tatsächlichen KdU des Hilfebedürftigen in der Regel bis zur Höhe der Tabellenwerte nach § 8 WoGG aF zu übernehmen.

5. Ein Zuschlag von 10 Prozent auf die im streitigen Zeitraum geltenden Tabellenwerte nach § 8 WoGG aF erscheint dem Senat angemessen und ausreichend, um den Gefahren einer Bedarfsunterdeckung wegen der Pauschalierung Rechnung zu tragen.

6. Straßenausbaubeiträge nach dem KAG LSA sind als Kommunalabgaben - wie die Grundsteuer - für den Eigentümer unausweichlich und daher dem Grunde nach berücksichtigungsfähige KdU iS von § 22 Abs 1 SGB 2.

7. Bei einmalig anfallenden Aufwendungen - wie hier bei Beiträgen nach dem KAG LSA wie auch bei Kosten für Instandsetzungsarbeiten - ist es nicht sachgerecht, zur Beurteilung der Angemessenheit allein auf den Fälligkeitsmonat abzustellen, wenn sich diese - wie auch eine Betriebskostennachforderung aus der Jahresabrechnung eines Vermieters - auf einen längeren Zeitraum beziehen. Derartige einmalige Aufwendungen sind auf einen längeren Zeitraum (von mindestens sechs Monaten) zu verteilen.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. September 2007 wird aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 10. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2006 verpflichtet, ihren Bescheid vom 30. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2005 und der Änderungsbescheide vom 10. November 2005 und 28. März 2006 und ihren Bescheid vom 14. November 2005 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 28. März 2006 zu ändern und dem Kläger in den Monaten November und Dezember 2005 jeweils weitere 361,20 EUR für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der seitens der Gemeinde O. vom Kläger und Berufungskläger erhobene Straßenausbaubeitrag von der Beklagten im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bei der Berechnung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berücksichtigen ist.

Der am ... 1948 geborene, geschiedene Kläger war im Jahr 2005 unterhaltspflichtig für eine im Jahr 1990 geborene Tochter. Er bewohnte allein ein ihm gehörendes, im Jahr 1850 gebau...

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