Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Fortfestsetzungsklage nach Erledigung des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes

 

Orientierungssatz

1. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt nach § 39 Abs. 2 SGB 10 durch bloßen Zeitablauf oder auf andere Weise ein, wenn dieser seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Ist der Bestand eines Bescheides von vorneherein für den Adressaten erkennbar an einen bestimmten Zeitrahmen gebunden, so wird er mit Ablauf dieses Zeitrahmens gegenstandslos.

2. Hat sich ein Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht nach § 131 Abs. 1 S. 1 SGG durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erforderlich ist hierzu die Umstellung der bereits erhobenen Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage, vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R.

3. Das für die Feststellung vorausgesetzte schutzwürdige Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht bei Vorgreiflichkeit, Wiederholungsgefahr oder bei Bestehen von Rehabilitationsinteresse, vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06 R.

4. Eine mangels durchgeführten Vorverfahrens unzulässige Anfechtungsklage hat die Unzulässigkeit der nach der Umstellung durchgeführten Fortsetzungsfeststellungsklage zur Folge.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger und Berufungsführer wendet sich gegen eine Eingliederungsvereinbarung (EV) mittels Verwaltungsakt des Beklagten und Berufungsgegners.

Der am ... 1954 geborene Kläger bezog im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 29. Februar 2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Für den Zeitraum Juni bis November 2009 bewilligte der Beklagte Leistungen iHv 644,67 EUR monatlich (Bescheid vom 13. Mai 2009).

Nachdem bei zwei Vorsprachen des Klägers bei dem Beklagten am 5. Februar und 15. Mai 2009 Bemühungen des Beklagten um den Abschluss einer EV ausweislich der hierüber gefertigten Gesprächsvermerke scheiterten, erließ dieser am 15. Mai 2009 einen ersetzenden Verwaltungsakt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II, dessen Regelungen für den Zeitraum vom 15. Mai bis zum 14. November 2009 gelten sollten. Als Ziel der EV war die "Verringerung bzw. Abbau der Hilfebedürftigkeit" angegeben. Dazu wurden vom Kläger folgende Aktivitäten verlangt:

"Sie nutzen alle Möglichkeiten, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken.

Sie teilen rechtzeitig Ortsabwesenheit mit.

Einladungen in die Jobcenter ARGE Magdeburg GmbH nehmen sie wahr.

Alle Veränderung ihrer persönlichen Situation teilen Sie mit."

Am 2. Juni 2009 hat der Kläger gegen diesen Bescheid Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Er sei "wegen Nichtigkeit anzufechten", da er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide, gegen die Sitten verstoße und tatsächlich unausführbar sei.

Mit einem am 3. Juni 2009 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben bat er um Überprüfung des Bescheids. Er sei weder reifeverzögert noch entwicklungsgehemmt, sodass der Erziehungsgedanke nicht greife. Es bedürfe der EV nicht, die zudem inhaltlich bereits dem Grundsatz des Förderns und des Forderns entspreche. Im Schriftsatz an das SG vom 22. Juni 2009 hat der Beklagte ausgeführt, er habe das Schreiben des Klägers als Widerspruch gegen die EV vom 15. Mai 2009 registriert. Das Widerspruchsverfahren sei jedoch noch nicht abgeschlossen, sodass die Klage unzulässig sei.

Einen entsprechenden Hinweis hat das SG mit Schreiben vom 2. Juli 2009 dem Kläger erteilt und für den Fall der Fortführung des Klageverfahrens eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid angekündigt. Daraufhin hat dieser am 20. Juli 2009 beim SG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. September 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei vor Abschluss des Vorverfahrens unzulässig. Am 24. September 2009 hat der Kläger beim LSG Berufung eingelegt. Die EV sei zu überprüfen. Der Bescheid sei überflüssig, weil er seinen Mitwirkungsverpflichtungen nachkomme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2009 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die EV sei nicht nichtig und nicht rechtswidrig. Da der Kläger zum Abschluss der EV nicht bereit gewesen sei, sei der ersetzende Verwaltungsakt erlassen worden. Die Regelungen der EV stellten keine unzumutbaren Belastungen dar.

Der Beklagte hat unter dem 3. August 2011 ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der streitigen EV nicht sanktioniert worden.

Mit Schreiben vom 8. August 2011 hat die Berichterstatterin den Kläger darauf hingewiesen, dass sich nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der EV der angeg...

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