Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Sicherung des Lebensunterhalts durch Angehörige. Vorliegen einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG 2004. Beendigung der Unterhaltsverpflichtung durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 2 AufenthG 2004. keine Begründung von Zahlungsansprüchen des Ausländers gegenüber dem Angehörigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die mit der Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG (juris: AufenthG 2004) übernommene Unterhaltsverpflichtung endet, wenn der Ausländer ein von der Sicherung des Lebensunterhaltes unabhängiges Aufenthaltsrecht erwirbt (hier: Aufenthaltserlaubnis gem § 25 Abs 2 AufenthG nach Flüchtlingsanerkennung gem § 60 Abs 1 AufenthG).

2. Aus der Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG kann der Ausländer selbst keine Zahlungen beanspruchen. Vielmehr ist sie eine Garantieerklärung gegenüber den deutschen Behörden, die einen Regress ermöglicht (vgl BVerwG vom 13.2.2014 - 1 C 4/13 = BVerwGE 149, 65 = Buchholz 402.242 § 68 AufenthG Nr 2).

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. September 2015 wird aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vom 9. Juni bis 30. November 2015 vorläufig Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende in Höhe von 360 EUR/Monat/Person zu zahlen.

Der Antragsgegner hat die den Antragstellern entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit ab 9. Juni 2015.

Der am ... 1981 geborene Antragsteller und die am ... 1984 geborene Antragstellerin haben die syrische Staatsangehörigkeit. Sie sind miteinander verheiratet.

Nachdem der Bruder des Antragstellers unter dem 28. Januar 2014 eine Verpflichtungserklärung nach § 68 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) unterzeichnet hatte, reisten die Antragsteller in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Verpflichtungserklärung sollte vom voraussichtlichen Tag der Einreise am 28. Januar 2014 bis zur Beendigung des Aufenthalts oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck gelten. Den Antragstellern wurde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt. Sie wohnen bei dem Bruder des Antragstellers kostenfrei.

Nach Stellung eines Asylantrages wurde den Antragstellern mit Bescheid vom 19. Februar 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Unter dem 24. März 2015 erteilte ihnen die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt M. mit sofortiger Wirkung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2, 1. Alt. AufenthG die Aufenthaltserlaubnis.

Der Antragsgegner bewilligte ihnen mit Bescheid vom 10. April 2015 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 24. März bis 31. Mai 2015 in Höhe von 720 EUR/Monat.

Unter dem 8. Mai 2015 beantragten die Antragsteller die Zustimmung zu einem Umzug in eine Wohnung in der J.-straße 40 in M. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19. Mai 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015 ab. Eine Übernahme der Unterkunftskosten könne nicht erfolgen, da sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten.

Unter dem 5. Mai 2015 stellten die Antragsteller beim Antragsgegner einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen, den dieser mit Bescheid vom 9. Juli 2015 ablehnte. Sie hätten keinen Anspruch auf Bezug von Grundsicherungsleistungen, da der Bruder des Antragstellers eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe, die weiterhin ihre Gültigkeit habe.

Bereits am 9. Juni 2015 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen und die Kosten der Unterkunft für die Wohnung in der J.-str. 40 in M. vorläufig zu übernehmen. Durch die Änderung des Aufenthaltstitels hätte die Verpflichtungserklärung des Bruders des Antragstellers ihre Wirkung verloren. Der Bruder des Antragstellers habe die Zahlungen eingestellt und sie lebten derzeit von Darlehen Dritter.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 7. September 2015 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Zweck des Aufenthalts der Antragsteller hätte sich durch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht geändert. Die Verpflichtungserklärung des Bruders des Antragstellers gelte weiterhin. Im Übrigen hätten die Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die vorgelegten Bescheinigungen über den Erhalt von finanziellen Mitteln von Mitgliedern der islamischen Gemeinde in M. ließen nicht hinreichend deutlich erkennen, dass es sich um Darlehen im Sinne des Bürgerlichen Ges...

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