Entscheidungsstichwort (Thema)

Besonderheiten der Prozesskostenhilfebewilligung in sozialgerichtlichen Verfahren. PKH-Beschwerde erfordert das Erreichen des Beschwerdewertes und Ablehnung mangels Erfolgsaussichten bzw. Forderung von Leistungen für mehr als 1 Jahr. Besonderheiten aufgrund von Betragsrahmengebühren in sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Die "entsprechende Anwendung"  der Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe fordert eine Anpassung der jeweils maßgeblichen Vorschriften der ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren, soweit prozessuale Besonderheiten bestehen. Dies betrifft insbesondere die Ersetzung des dem sozialgerichtlichen Verfahren fremden Rechtsmittels der "sofortigen Beschwerde" durch die "Beschwerde", ferner die Bestimmung des Beschwerdegerichts, nämlich des LSG statt eines höherinstanzlichen Zivilgerichts, sowie die Anpassung des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstandes für die Berufung. Dieser liegt in Zivilverfahren gemäß § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO bei 600,00 EUR, während hier der seit 2008-04-01 in SGG § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 geregelte Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR maßgeblich ist.

2. Eine weitere Besonderheit ergibt sich bei der Anwendbarkeit von RVG § 3, der Betragsrahmengebühren vorsieht.

3. Seit 2008-04-01 ist die Beschwerde bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist.

4. Das gleiche gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von SGG § 144 Abs 1 S 2 im Streit sind.

Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. Dezember 2008 wird aufgehoben und den Klägern für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens nachträglich Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. aus B. bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Kläger begehren für ein Klageverfahren, in dem sie für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. März 2007 um die Höhe der ihnen bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) stritten und sich zugleich gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide der Beklagten für denselben Zeitraum wendeten, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Gegen die Bescheide der Beklagten haben die Kläger am 10. September 2007 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben mit der Begründung, die Höhe der von der Beklagten bewilligten Leistungen sei fehlerhaft. So sei ein 18 %iger Abschlag von den Heizkosten für Kosten der Wassererwärmung vorgenommen worden. Weiter sei die Versicherungspauschale nicht in allen Monaten berücksichtigt worden. Zudem hätten sie einen Anspruch auf Gewährung von pauschalierten Beträgen für die Instandhaltung ihres Einfamilienhauses. Derartige Leistungen gebe es auch nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Sie hätten im streitgegenständlichen Zeitraum Instandhaltungsaufwendungen gehabt, könnten jedoch keine Belege mehr vorlegen, weil die Beklagte sie nicht richtig beraten habe. Sie seien daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen wie sie bei ordnungsgemäßer Beratung gestanden hätten. Schließlich habe die Beklagte Leistungen für Stromkosten bewilligen müssen, denn ihre Abschlagszahlungen seien höher als die Regelsatzanteile für Haushaltsenergie. Eine Rückforderung von überzahlten Leistungen sei nicht möglich, da sie ihre Arbeitsaufnahmen und das zukünftige Erzielen von Einnahmen rechtzeitig angezeigt hätten. Gleichzeitig haben die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren beantragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. Dezember 2008 hat das SG den Klägern im Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007 monatlich weitere Leistungen iHv insgesamt 2,53 EUR wegen der in falscher Höhe berücksichtigten Kosten für die Wassererwärmung bewilligt, die dem zugrunde liegenden Bescheide abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2008 hat das SG den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass - gemessen am gesamten Streitgegenstand - die Klage nur in einem sehr geringen Umfang Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Bei derartigen Bagatellstreitwerten sei Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen. Es sei zu berücksichtigen, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen würde. Zwar sei bei wirtschaftlich beschränkten Verhältnissen bereits das Fehlen relativ geringer Beträge erheblich. Andererseits sei jedoch zu berücksichtigen, dass - aufgrund der Abrechnung nach Rahmengebühren im sozialgerichtlichen Verfahren - regelmäßig eine nur teilweise bestehende Erfolgsaussicht zur uneingeschränkten Gewährung von Prozesskostenhilfe führe, so ...

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