Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Einsetzen der Sozialhilfe. sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis. Schuldbeitritt. Sonderrechtsnachfolge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Annahme des Einsetzens der Sozialhilfe (§ 18 SGB 12) genügt es, dass dem Sozialhilfeträger die konkrete Möglichkeit eines sozialhilferechtlichen Bedarfs bzw hinreichende Anhaltspunkte für die Hilfegewährung bekannt sind. Der Sozialhilfeträger muss nicht aufgrund einer "Schlüssigkeitsprüfung" vom Vorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen überzeugt sein.

2. Der Träger einer stationären Pflegeeinrichtung kann gegen den Sozialhilfeträger aus dem im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis erfolgten Schuldbeitritt die Zahlung eines Heimentgelts nur in Höhe der dem Sozialhilfeempfänger bewilligten Leistungen beanspruchen (Anschluss an BSG vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R = SozR 4-1500 § 75 Nr 9).

3. Der gesetzlich geregelte Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 19 Abs 6 SGB 12) kann zu einem weitergehenderen Zahlungsanspruch des Trägers einer Pflegeeinrichtung gegen den Sozialhilfeträger führen, wenn der gegenüber dem Sozialhilfeempfänger ergangene Bewilligungsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist. Auch dann sind Einkommen und Vermögen des verstorbenen Sozialhilfeempfängers zu berücksichtigen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.11.2009 - S 14 SO 84/07 - abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 09.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2007 wird abgeändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 22.08. bis 15.09.2005 einen neuen Bescheid über die ihr zu erstattenden Kosten für die Kurzzeitpflege der M J unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen sowie der Klägerin auf die zu erstattenden Kosten ab dem 08.11.2007 Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat der Klägerin ein Zehntel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung weiterer Heimkosten für die Zeiträume vom 22.08. bis 15.09.2005 und vom 19.10.2005 bis 31.01.2006.

Die Klägerin ist der Träger der Pflegeeinrichtung P B (Pflegeheim) und Rechtsnachfolgerin der P gGmbH. Die Pflegeeinrichtung genießt Bestandsschutz gem. § 73 Abs. 3 und 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Die 1920 geborene und am 27.05.2006 verstorbene M J (Hilfeempfängerin) war ledig und wurde seit mindestens 2001 in ihrer eigenen Wohnung von ihrer in einer anderen Wohnung lebenden Nichte gepflegt und erhielt von der Pflegekasse der Barmer Ersatzkasse (BEK) ambulante Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II. Mit Bescheid vom 24.10.2005 bewilligte die Pflegekasse Leistungen der vollstationären Pflege ab 18.10.2005 nach der Pflegestufe II. Die Hilfeempfängerin bezog im hier streitigen Zeitraum eine Altersrente von monatlich netto 746,46 € und verfügte über kein weiteres Einkommen oder über Vermögen. Sämtliche Erben der Hilfeempfängerin haben das Erbe ausgeschlagen. Seit Februar 2006 war für sie ein Betreuer bestellt.

Die Hilfeempfängerin befand sich vom 18.08. bis 15.09.2005 zur Kurzzeitpflege in dem Pflegeheim, anschließend in stationärer Krankenhausbehandlung bis 18.10.2005 und ab 18.10.2005 bis zu ihrem Tod zur vollstationären Pflege in dem Pflegeheim. Die Pflegekasse zahlte für die Kurzzeitpflege insgesamt 1432,00 € und für die vollstationäre Pflege für Oktober 2005 884,10 € sowie ab November 2005 monatlich 1279,00 € an das Pflegeheim.

Nach den mit dem Pflegeheim abgeschlossenen Wohn- und Dienstleistungsverträgen vom 18.08. und 18.10.2005 war die Hilfebedürftige verpflichtet, einen täglichen Pflegesatz nach der Pflegestufe II in Höhe von (iHv) 51,96 €, ein tägliches Entgelt für Unterkunft und Verpflegung iHv 21,03 €, tägliche Investitionskosten iHv 14,40 € und einen täglichen Beitrag für Ausbildungskosten iHv 0,89 € (insgesamt 88,28 €) zu zahlen.

Das Pflegeheim berechnete der Hilfeempfängerin ein Entgelt für die Kurzzeitpflege iHv 2560,12 € (Pflegesatz nach Pflegestufe II ≪29 x 51,96 € = 1506,84 €≫, Unterkunft/Verpflegung ≪29 x 21,03 € = 609,87 €≫, Investitionskosten ≪29 x 14,40 € = 417,60 €≫, Ausbildungskosten ≪29 x 0,89 € = 25,81 €≫, d.h. täglich 88,28 €), für den Zeitraum vom 18. bis 31.10.2005 iHv 1235,92 €, für November 2005 iHv 2648,40 €, für Dezember 2005 und für Januar 2006 iHv jeweils 2736,68 €. Nach der mit dem Pflegeheim bestehenden Vergütungsvereinbarung der Pflegekasse betrug der tägliche allgemeine Pflegesatz nach der Pflegestufe II 51,96 €, das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung 21,03 €, das Entgelt für Investitionskosten 10,32 € und für Ausbildungskosten 0,89 € (täglich 84,20 €).

Mit Schreiben vom 14.11.2005 erhielt die Nichte der Hilfeempfängerin eine "zweite Mahnung" des Pflegeheims über den Aufenthalt der Hilfeempfängerin seit 18.08.2005 iHv 6...

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